Die Wanderapothekerin: Alle Teile des Serials in einem Band (German Edition)
du das wissen?«, fragte Thomas höhnisch.
»Ich weiß es eben!« Martha stellte sich vor das Fenster, blickte kurz hinaus und glaubte am Waldrand einen Schatten wahrzunehmen. Es konnte nur Baron Ludwig sein. Sie hatte ihn auf dem Weg vom Wirtschaftshof zum Schloss flüchtig dort gesehen und war froh, dass er bis jetzt ausgehalten hatte. Sie hob die Arme und bewegte beide mehrmals hin und her, um die Aufmerksamkeit des Barons zu erregen.
Unterdessen wies Klara mit anklagender Geste auf Thomas. »Wenn du Ihre Erlaucht umbringst, wird es dein eigenes Ende sein. Wir sind zu viert …«
»Weiber!«, höhnte er.
»Du wirst uns alle töten müssen, um zu entkommen!«, fuhr Klara fort.
»Genau das habe ich vor!«, sagte Thomas lachend. »Zuerst erledige ich die gräfliche Zuchtstute, anschließend euch vier, und dann sage ich ›Lebe wohl, Waldstein!‹. Finden wird mich hinterher keiner mehr.«
»Du wirst nicht entkommen«, erklärte Klara und hielt nach etwas Ausschau, das sich als Waffe verwenden ließ.
Die Mamsell stand mit hängenden Schultern im Raum und schüttelte ein ums andere Mal den Kopf. »Warum, Thomas? Warum hast du das getan? Die Herrschaft hat dir vertraut wie keinem Zweiten!«
»Vertraut!« Der Vorkoster spie diese Worte förmlich aus. »Sie haben erwartet, dass wir gehorchen und alles mit uns machen lassen. Ich habe den alten Grafen einst gebeten, ein Mädchen heiraten zu dürfen, und er hat mich ausgelacht! Kurz darauf hat sein ältester Sohn meine Auserwählte dazu gezwungen, seine Hure zu werden. Aber dafür hat er bezahlt!«
Bei den Worten wurde Emma blass. »Du meinst mich? Aber du hast nie gesagt, dass du mich haben willst!«
»Er fordert für sich dasselbe Recht, das er dem Grafen absprechen will, nämlich über andere zu bestimmen«, rief Martha aufgebracht. Dabei winkte sie erneut und hoffte, dass Baron Ludwig inzwischen gemerkt hatte, dass er hier gebraucht wurde.
»Der älteste Sohn des Grafen hat dafür bezahlt!«, wiederholte der Vorkoster. »Als er im Krieg verwundet wurde, sollte ich ihn pflegen. Es war für mich ein Leichtes, ihn sterben zu lassen.«
Bei den Worten lachte er auf eine Weise, dass sich bei Klara die Nackenhaare aufstellten, und riss dann seine Augenbinde ab.
»Das hier habe ich dem jetzigen Baron Ludwig von Triberg zu verdanken! Er hat es mir ausgeschlagen, als er vom Feldzug zurückkam und seinen Vetter tot vorfand. Aber auch er hat bezahlt! Auf meine Worte hin hat ihn der alte Graf aus dem Schloss vertrieben und ihm seinen Namen genommen. Dann habe ich den Herrn erneut gebeten, mir Emma zu geben. Zuerst schien es, als würde er es tun. Doch auf einer Reise nach Frankfurt hat jemand ihm erzählt, weshalb Baron Ludwig mir das Auge ausgeschlagen hat, und da wollte er sich mit seinem Neffen versöhnen. Bevor es dazu kam, habe ich ihm ein Ende bereitet! Und danach habe ich einen Spross der gräflichen Familie nach dem anderen umgebracht, und nun ist Gräfin Griselda an der Reihe.«
»Du wirst nicht entkommen«, sagte Klara und spähte zu dem Schürhaken hin, der neben dem Kamin an der Wand lehnte.
»Oh doch, das werde ich! Aber ihr werdet das nicht mehr erleben.«
»Wenn das so ist, kannst du doch sagen, wer dich zum Mord an der Grafenfamilie angestachelt hat. Graf Ludwig kann es nicht gewesen sein. Das hast du eben selbst erklärt!«, sagte die Mamsell und trat einen Schritt vor.
Sofort bohrte sich Thomas’ Klinge tiefer in die Haut der Gräfin. »Gar nichts habe ich! Und jetzt bleib stehen.«
»Warum?«, fragte Klara. »Da du die Gräfin und uns alle töten willst, ist es gleichgültig, ob wir stehen bleiben oder nicht!« Sie näherte sich dem Kamin und spannte sich an, um so rasch wie möglich den Schürhaken zu erreichen.
Auch die Mamsell und Emma begriffen, dass sie etwas tun mussten, während Martha am Fenster stehen blieb und kurz hinausschaute. Draußen zog bereits die Abenddämmerung auf, trotzdem glaubte sie zu sehen, dass jemand raschen Schrittes auf das Schloss zukam. Zwar gab es in diesem Raum keine Tür zum Garten, aber ein gesunder, kräftiger Mann konnte das Fenster im Sprung erreichen. Doch dafür musste sie es öffnen.
»Ich kriege keine Luft mehr«, stieß sie hervor, taumelte ein wenig und riss das Fenster auf.
Um den Vorkoster zu täuschen, atmete sie mehrfach hastig ein. Nun konnte sie Baron Ludwig deutlich sehen. Er war nur noch wenige Schritte entfernt und würde das Fenster gleich erreichen.
»Du bist ein Schurke, Vorkoster
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