Die Wanderhure
schöne Kleider, Schmuck oder gar ein eigenes Haus.«
Bei jedem anderen Freier hätte Marie solche Worte für Aufschneiderei gehalten. Jodokus aber meinte es ernst, das verrieten seine Haltung und der übermäßige Stolz, der sich auf seinem Gesicht abzeichnete. Der Verrat an Ritter Dietmar und andere Dienste, die er Ruppert geleistet haben musste, hatten aus einem armen Mönch, der keinen Haller Pfennig sein Eigen nannte, einen gut betuchten Bürger gemacht. Marie fragte sich, ob der verräterische Mönch eine neue Schandtat im Dienst Rupperts ausführen sollte. Wenn es so war, wollte sie es erfahren. Vielleicht machte Ruppert einen Fehler oder übernahm sich, und ein paar Worte an der richtigen Stelle reichten aus, um ihn zu Fall zu bringen.
Während Marie sich neuen Hoffnungen hingab und sich derweil von Jodokus betätscheln ließ, wunderte sich Hiltrud, die nicht weit von ihr auf sie wartete, über das Verhalten ihrer Freundin. Marie hatte ihr oft genug erklärt, wie sehr sie den verräterischen Mönch verabscheute, und jetzt benahm sie sich so schamlos, als hätte sie einen teuren alten Freund wiedergefunden und wollte möglichst schnell mit ihm hinter dem nächsten Busch verschwinden. Sie räusperte sich mehrmals, bis Marie auf sie aufmerksamwurde. Aber die Freundin winkte ihr, zu verschwinden. Verärgert drehte Hiltrud sich um und ging, nahm sich aber vor, sie später am Abend zur Rede zu stellen.
Jodokus legte seinen Arm Besitz ergreifend um Marie und deutete auf die Stadt. »Ich habe noch ein paar Stunden Zeit. Die sollten wir besser nutzen, als uns an diesem stinkenden Kanal zu unterhalten. Meine Herbergswirtin hat bestimmt nichts dagegen, wenn ich dich mit auf meine Kammer nehme.«
»Ich gehe nicht mit jedem mit, und vor allem nicht ohne Lohn.« Marie bemühte sich um einen neckischen Tonfall, der halb versprechend und halb fordernd war. Jodokus ging sofort darauf ein. »Du wirst mehr von mir erhalten als die paar Schillinge, die du sonst verdienst, meine goldene Schönheit. Viel mehr! Wenn du bei mir bleibst, wirst du keinem anderen Mann mehr deine Schenkel öffnen müssen und den schönsten Schmuck tragen …«
»Im Bett?«, fragte Marie spöttisch.
Der Gedanke schien ihm zu gefallen. »Ja, auch dort. Aber du wirst dich noch ein wenig gedulden müssen, bevor die goldenen Dukaten in deinen Schoß rollen. Ich werde heute Abend ein wichtiges Gespräch führen, das mir sehr viel Geld einbringen wird.«
Jodokus plant tatsächlich eine neue Gemeinheit, fuhr es Marie durch den Kopf. Sie ließ sich von ihm an die Hand nehmen und durch das Hafentor führen. Der Wächter am Tor warf ihr keinen zweiten Blick zu und verlangte auch keine Torsteuer, und die Frau, die sie in dem kleinen Haus empfing, das wie ein Nest innen an der Stadtmauer direkt neben dem Torturm klebte, sah sie zwar scheel an, protestierte aber nicht. Jodokus’ Domizil war keine offizielle Herberge, sondern gehörte der Witwe, die, wie er Marie unterwegs erklärt hatte, ihre Zimmer und manchmal auch sich selbst an zahlende Gäste vermietete.
Auf der schmalen Treppe, die im Innern des Gebäudes direkt an den rohen Steinen der Stadtbefestigung entlanglief, drehte Jodokussich noch einmal um. »Frau Grete, bitte bringt mir doch einen Krug Wein und zwei Becher in meine Kammer.«
»Und eine Schüssel mit Wasser«, setzte Marie rasch hinzu, da der Mönch trotz seiner neuen Kleider nicht weniger stank als früher.
Die Wirtin nickte mürrisch und verschwand in ihrer Küche. Jodokus stieg die Treppe hoch und öffnete umständlich eine Tür, die gleich mit zwei Schlössern versehen war. Das eine war ein gewöhnliches Türschloss, das Marie in einem ärmlichen Haus wie diesem jedoch nicht erwartet hätte. Das andere war ein Vorhängeschloss, dessen Kette durch die Ösen des Riegels geschlungen war und das sich nur mit einem kompliziert aussehenden Schlüssel öffnen ließ. Marie sah Jodokus neugierig zu und schüttelte den Kopf.
Er lächelte und strich ihr wie einem Kind über den Kopf. »Du wunderst dich? Das ist ganz einfach zu erklären. In Witwe Gretes Haus steigen oft Kuriere und Diener reicher Kaufleute ab, die größere Summen oder wichtige Schriftstücke mit sich führen. Die wollen sie natürlich während ihres Aufenthalts hinter wohl verschlossenen Türen in Sicherheit wissen.«
Marie nickte mit großen Augen, so dass Jodokus ihre scheinbare Naivität belächelte. In ihrem Innern aber zitterte sie vor Erregung, denn sie war nun fest
Weitere Kostenlose Bücher