Die Wanderhure
Gesicht hinter seiner Schulter zu verbergen und einen Aufschrei unterdrücken zu können.
Stattdessen stammelte sie ein paar Worte der Bewunderung. Was Jodokus auch immer besaß, sie wollte es an sich bringen, und wenn sie ihn mit einem Schlaftrunk betäuben musste. Während er mit den Haaren auf ihrer Scham spielte und traurig auf sein immer noch schlaffes Glied blickte, überlegte Marie aufgewühlt, wie sie den Mann überlisten konnte. Das Säckchen mit den Kräutern lag in Martins Herberge. Vielleicht würde er mit ihr kommen, wenn sie ihm erklärte, sie besäße etwas, das seine Männlichkeit schnell wieder aufrichten konnte. Doch er schien im Augenblick das Interesse an ihrem Körper verloren zu haben. Er sprang auf, fuhr mit einem meckernden Lachen in seine Beinkleider und schlüpfte beinahe ebenso schnell in sein Hemd, wie er es vorher ausgezogen hatte. Dann warf er triumphierend die Arme zur Decke.
»Jetzt weiß ich, wie ich es anstellen muss. Die Kerle, mit denen ich es zu tun habe, sind nämlich mit allen Wassern gewaschen. Aber jetzt kann ich ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. Marie, ich gebe dir ein Päckchen mit, auf das du sehr gut Acht geben musst. Du darfst es auch nicht öffnen, hörst du? Die Wirtin hier ist jederzeit für Geld zu kaufen, und ich fürchte, dass einer von Rupperts Leuten mein Zimmer aufbricht und mich bestiehlt, während ich mit seinem Boten verhandele. Es wäre fatal für uns beide, wenn er die Sachen an sich bringen könnte, ohne meinen Preis dafür zu zahlen. Aber weder der Magister noch das Gesindel, das in seinen Diensten steht, werden darauf kommen, dass ich meine kostbaren Unterlagen einer Hübschlerin anvertraue.«
Marie teilte Jodokus’ Überzeugung nicht, denn sie glaubte Ruppert gut genug zu kennen. Die Handlanger des verräterischen Magisters würden jeden Stein in Straßburg und Umgebung umdrehen, um die Sachen in ihre Hände zu bekommen. Da sie jedoch die Absicht hatte, den davongelaufenen Mönch zu bestehlen, störte diese Aussicht sie nicht. Wanderhuren kamen und gingen wie der Wind und hinterließen selten eine Spur.
Jodokus zog ein Paket unter seinem Umhang hervor, das in eine geölte Haut eingeschlagen und mit Siegellack verschlossen war. »Kannst du das unter deinem Rock verbergen, wenn du gehst?«
Sie riss Augen und Mund auf, um eifrig und hilfsbereit zu wirken. »Aber ja, natürlich. Ich binde es an meinem Unterkleid fest. Es soll doch niemand bemerken, dass du mir etwas mitgegeben hast.«
Jodokus beugte sich über sie, rieb die Nase an ihrer Brust und zog sein Beinkleid wieder herunter. »Du bist ein kluges Mädchen, Marie. Doch jetzt öffne mir die Pforten deiner Kathedrale, denn mich überkommt der Wunsch, dort noch einmal zu beten.«
XII.
Z wei Stunden später saß Marie in ihrer feuchten Kammer auf einem frischen Binsenbett und starrte ungläubig auf die Blätter, die sie vor sich ausgebreitet hatte. Entweder hatte Jodokus schon länger in Rupperts Diensten gestanden und war an etlichen seiner Schurkenstücke beteiligt gewesen, oder er hatte dieses Bündel Unterlagen zusammengestohlen. Für Letzteres hätte er gewiefter sein müssen, als sie ihn einschätzte.
Neben dem aus dem Kloster St. Ottilien entwendeten Testament des Ritters Otmar von Mühringen gab es fünf weitere Urkunden, die testamentarische Verfügungen und Übereignungen von Grundbesitz enthielten, und dazu noch einige Blätter, auf denen Jodokus fein säuberlich jeden Streich und jeden Betrug aufgeschrieben hatte, den Magister Ruppertus begangen hatte, sei es im Auftrag seines Vaters, seines Bruders, einiger hoher Kirchenmänner oder in seinem eigenen Interesse.
Das erste Mal in ihrem Leben war Marie froh, dass ihr Vater sie gezwungen hatte, Lesen und Schreiben zu lernen wie eine Tochter aus einer Konstanzer Patrizierfamilie. Er hatte einengreisenMönch als Lehrer angeworben, der seine Schülerin zunächst nicht ernst nahm und sie für viel Geld ein paar Worte und Sätze auswendig lernen ließ. Doch das gute Essen und der Wein in Meister Matthis’ Haus und die Gründlichkeit, mit der Maries Vater den Unterricht überwachte, hatten ihn schließlich davon überzeugt, dass er sorgfältiger zu Werke gehen musste. So hatte er ihr beigebracht, Briefe und Verträge auf Deutsch zu verfassen und ein Haushaltsbuch zu führen. Danach war der Mönch, der sein luxuriöses Dasein nicht so schnell aufgeben wollte, dazu übergegangen, ihr anhand seines Gebetbuchs die Grundlagen des
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