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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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könne vor der Tür stehen.
    Es klopfte heftiger.
    Hiltrud warf den Kopf hoch. »Wir sollten doch nachsehen. Vielleicht ist Madeleine oder eine unserer anderen Freundinnen in Schwierigkeiten.«
    Ohne Maries Reaktion abzuwarten, stand sie auf, griff nach dem Schlachtermesser, das sich auch vortrefflich als Waffe verwenden ließ, und trat in den Flur.
    »Wer ist da?«, fragte sie laut genug, dass man es draußen hören konnte.
    »Ich bin es, der Michel.«
    Hiltrud steckte den Kopf in die Küche. »Es ist dein Hauptmann, Marie.«
    Marie verzog das Gesicht und winkte verächtlich ab. »Der hat wohl von heute Morgen noch nicht genug, oder es sticht ihn erneut der Hafer.«
    Kordula bedachte sie mit einem missbilligenden Blick. »Ich weiß nicht, was du gegen den Burschen hast. Ich wäre froh um so einen großzügigen und höflichen Kavalier.«
    »Von mir aus kannst du ihn haben.«
    Hiltrud überließ die beiden Frauen ihrem Wortwechsel und schob kurz entschlossen den Riegel zurück. In dem Licht, das aus der Küche fiel, sah sie, was für eine Last Michel trug, und steckte schnell das Messer weg.
    »Wen bringst du uns denn da ins Haus?«
    »Mach die Tür zu und leg die Läden vor die Fenster. Es darf uns niemand sehen«, bat Michel sie.
    Hiltrud begriff zwar nichts, aber sie schloss schnell die Tür hinter ihm und wies auf die Küche. »Marie ist da drin.«
    Marie hatte seine Stimme vernommen und stand auf, um ihn mit einem Kübel wüster Beschimpfungen zu empfangen. Dann sah sie das Mädchen und schluckte alles hinunter.
    »Das ist doch Hedwig! Was tust du mit ihr?« Es klang, als hätte sie Michel im Verdacht, das Mädchen geraubt zu haben.
    Michel war nicht in der Stimmung, freundlich zu antworten. »Sag mal, lebst du hinter dem Mond? Dein Onkel Mombert ist unter dem Verdacht verhaftet worden, Junker Philipp von Steinzell ermordet zu haben. Man hat deine Tante Frieda und Hedwig ebenfalls eingesperrt, und heute Nacht sollte Hedwig zu einem Mann gebracht werden, der sie schon länger verfolgt hat und sie zu seinem Liebchen machen wollte. Doch das haben Wilmar und ich ihm gründlich vermasselt.«
    »Mein Onkel verhaftet?« Marie biss sich auf die Finger und atmete heftig durch. Dann mischten sich Wut und ein böses Lächeln auf ihrem Gesicht. »Das war Rupperts Werk. Doch das soll seine letzte Schandtat gewesen sein!«
    Michel sah sie verständnislos an. »Magister Ruppertus Splendidus? Der Mann, der dich hatte heiraten wollen? Was soll der denn mit Hedwig zu tun haben? Wilmar ist sicher, dass der Abt Hugo von Waldkron dahinter steckt.«
    »Wer ist Wilmar?«
    »Der Geselle deines Oheims. Er hat mich von Momberts Verhaftung und dem geplanten Schurkenstreich gegen Hedwig unterrichtet. Er kommt gleich nach. Aber jetzt würde ich deine Base gerne irgendwo abladen. Auf die Dauer wird sie mir doch ein wenig schwer.«
    »Komm, wir bringen sie nach oben in meine Kammer. Hiltrud, hilfst du uns?« Marie stieg ein Stück die Leiter hoch, während ihre Freundin Michel die Bewusstlose abnahm und Marie in die Arme schob. Gemeinsam trugen sie sie die Leiter hoch und legtensie auf Maries Bett. Michel folgte ihnen mit einer Laterne, die Hiltrud ihm in die Hand gedrückt hatte, musste jedoch an der Tür stehen bleiben, weil der Raum oben zu wenig Platz bot.
    Momberts Tochter war bleich wie eine Wachsfigur, und nur das leichte, aber stete Heben und Senken ihrer Brust zeigte an, dass noch Leben in ihr steckte.
    Michel sah besorgt auf sie nieder. »Ich fürchte, der Kerl, dem wir Hedwig abgejagt haben, hat ihr etwas eingeflößt, um sie unauffällig wegschaffen zu können. Sie ist uns auf der Straße ohnmächtig geworden.«
    Hiltrud beugte sich über das Mädchen und schnupperte an ihrem Mund. »Sie hat Mohnsaft getrunken, und das nicht zu knapp. Vor morgen Nachmittag wird sie nicht aufwachen, sage ich euch.«
    »Hoffentlich überlebt sie es.« Marie sah besorgt auf ihre Base herab. Mohnsaft wurde allgemein als Schlafmittel benutzt, doch wer zu viel davon nahm, wachte nicht mehr auf. Manch unglücklicher Frau, die tot im Bett gefunden worden war, sagte man hinter vorgehaltener Hand nach, sich mit diesem Mittel den ewigen Schlaf verschafft zu haben.
    Hiltrud prüfte Hedwigs Puls und schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass sie in Gefahr ist. Das Mädchen ist gesund und kräftig.«
    Bevor Marie antworten konnte, klopfte es unten erneut an der Tür.
    »Das wird Wilmar sein«, sagte Michel.
    »Ich mache schon auf.« Hiltrud schob sich an ihm

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