Die Wanderhure
an. »Vielleicht kann ich den Herren weiterhelfen. Das Schriftstück hat ein Freund von mir dem Leibdiener des Abtes Hugo von Waldkron abgenommen, einem Kerl namens Selmo, nachdem der Mann meine Base Hedwig aus dem Ziegelturm geholt hatte.«
»Also lebt das Mädchen noch und ist unversehrt?« Pfefferhart atmete sichtlich auf, als Marie nickte.
Abt Hugo aber drohte Marie mit der Faust und schrie lauthals: »Verleumdung!«
Marie wollte Pfefferhart eben vorschlagen, den Wächter des Ziegelturms zu befragen, als eine Gruppe Pfälzer Fußknechte unter Michels Führung auf den Münsterhof zumarschierte. In ihrer Mitte schleppten sie den gefesselten und lauthals schimpfenden Selmo mit sich, während der Wächter des Ziegelturms mit den Armen fuchtelnd neben Michel herlief. Dann sah der Mann Pfefferhart an, drängte sich rücksichtslos durch den Ring der Huren und löste damit eine Kaskade von Schimpfworten aus. Doch als er vor dem Ratsherrn stehen blieb und auf Selmo zeigte, ebbte der Lärm sofort ab.
»Herr, der Bursche dort in der Kutte ist der Mönch, der damalsdas Mädchen abgeholt hat. Ich erkenne ihn mit absoluter Sicherheit wieder.«
Pfefferhart musterte Selmo, den die Soldaten durch die zurückweichenden Frauen eskortierten, und sah dann Michel fragend an. »Wer ist der Kerl?«
An Michels Stelle antwortete Marie. »Das ist der, den ich eben angeklagt habe. Er nennt sich Selmo und dient Abt Hugo von Waldkron.«
Pfefferhart ging auf Selmo los und schüttelte ihn. »Wie bist du zu diesem Schreiben gekommen, Kerl?«
»Welches Schreiben? Ich weiß von nichts! Man hat mich widerrechtlich gefangen genommen und hierher geschleppt …« Selmos Stimme klang so vorwurfsvoll, als wäre er tatsächlich unschuldig, doch der Blick, den er seinem Herrn zuwarf, verriet ihn. Pfefferhart drehte sich zu dem Abt um und zeigte anklagend mit dem Finger auf ihn. »Die Fälschung stammt also von Euch! Wie kommt Ihr zum Amtssiegel der Stadt Konstanz?«
Das Gesicht des Abtes lief dunkelrot an, und er wandte sich an den Kaiser. »Ich habe mit dieser Angelegenheit nicht das Geringste zu tun und mein Diener auch nicht. Das ist eine Verschwörung, Majestät, die Euren treuesten Dienern und damit auch der Krone schaden soll.«
Der Kaiser wurde unsicher, und es sah so aus, als ziehe er es vor, dem Abt Glauben zu schenken. Da trat der Graf von Württemberg vor, der sich bisher unauffällig im Hintergrund gehalten hatte.
»Hier steht Wort gegen Wort, aber ein gefälschtes Siegel ist genauso verdammenswert wie ein Meineid. Es gibt eine einfache Möglichkeit, Abt Hugo von dem Vorwurf zu entlasten. Man braucht nur sein Quartier hier in Konstanz und sein Haus in Maurach zu durchsuchen. Wenn dort nichts gefunden wird, dürfte es sich tatsächlich um eine Verleumdung handeln.«
Der Kaiser nickte erleichtert, denn damit ergab sich die Möglichkeit,den Auflauf endlich aufzulösen. Noch bevor er etwas anordnen konnte, drängte sich Ruppertus Splendidus vor.
»Erlaubt mir, diese Untersuchung durchzuführen, Euer Majestät.«
Sigismund öffnete den Mund, doch ehe er etwas sagen konnte, hallte Graf Eberhards Stimme über den Platz. »Nein, Majestät, tut das nicht! Damit würdet ihr den Bock zum Gärtner machen!«
Der Kaiser ballte die Fäuste und maß den Württemberger mit einem warnenden Blick. Graf Eberhard verneigte sich entschuldigend und wies auf den Magister. »Ich klage den Magister Ruppertus Splendidus des Meineids an, der Fälschung, der Verleumdung und der Anstiftung zum Mord, und ich besitze genug Beweise für eine Verurteilung. Er hat zum Beispiel das echte Testament Ritter Otmars von Mühringen entwenden lassen und eine Fälschung vorgelegt, die den Mühringer Besitz in die Hände seines Halbbruders Konrad von Keilburg übergehen ließ. Des Weiteren hat er ebenfalls durch gefälschte Testamente und Meineide dafür gesorgt, dass die Herrschaften Dreieichen, Zenggen, Felde und einige andere wider jedes Recht in die Hand seines Vaters Heinrich beziehungsweise seines Halbbruders Konrad von Keilburg fielen.«
Ruppert starrte Marie an, auf deren Lippen ein böses Lächeln spielte, fasste sich ungläubig an den Kopf und stieß dann ein sehr unechtes Lachen aus. »Ihr habt gestern Abend wohl zu viel getrunken und deswegen schlecht geträumt, Graf Eberhard. Sonst könntet Ihr solche Hirngespinste nicht für bare Münze nehmen.«
Der Württemberger würdigte Ruppert keines Blickes. »Ich habe unumstößliche Beweise für diese und andere
Weitere Kostenlose Bücher