Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
Schandtaten des Keilburger Bastards.«
    Marie war froh, den Grafen als Vorkämpfer gewonnen zu haben. Hätte sie Ruppert angeklagt, wäre sie wohl nicht weit gekommen.Ihre Aussage hätte er mit Leichtigkeit zerpflückt und lächerlich gemacht. Doch dem Wort eines Eberhard von Württemberg, der an Macht und Einfluss den Keilburger Grafen noch übertraf, hatte er nichts entgegenzusetzen. Trotzdem war sie nicht gewillt, das Feld den Edelleuten und ihrem Streit um Land und Burgen zu überlassen. Sie zupfte am Mantel des Kaisers, knickste dabei und deutete auf Ruppert.
    »Ich klage diesen Mann an, meinen Vater ermordet und mich um meine Ehre und mein Erbe gebracht zu haben.«
    »Das ist doch lächerlich.« Ruppertus machte Miene, Marie zu schlagen. Doch einige Gefolgsleute des Württembergers hielten ihn kurzerhand fest.
    Alban Pfefferhart verbeugte sich vor dem Kaiser. »Lasst mich gehen und das Quartier des Abtes durchsuchen.« Als Sigismund gnädig den Befehl erteilte, winkte der Ratsherr Ritter Bodman, ihm mit ein paar seiner Männer zu folgen. Michel schloss sich ihnen mit einigen seiner Fußsoldaten an.
    Der Kaiser warf einen Blick auf die immer noch dicht gedrängte Menge, die sich durch neugierig gewordene Bürger inzwischen verdoppelt hatte, und befahl seinem Gefolge mit einer schroffen Handbewegung, in das Innere des Münsters zurückzukehren. Der Württemberger achtete darauf, dass seine Leute den Magister und den Abt, die heftige Gegenwehr leisteten, ebenfalls hineinbrachten. Marie sah ihnen nach und wusste nicht, was sie tun sollte. Ein Wink des Grafen enthob sie einer Entscheidung.
    Die Leute im Münster sahen sich ratlos an, und nur die Gegenwart des Kaisers, der stumm und mit verbissener Miene auf seinem Prunkstuhl saß, hinderte sie daran, in lautstarke Diskussionen auszubrechen. Neugierige und verärgerte Blicke trafen den Württemberger, den man für den Anstifter des Aufruhrs hielt. Viele starrten aber auch Marie an, die in ihrer einfachen Kleidung und den gelben Hurenbändern wie ein Fremdkörper unter den versammelten Honoratioren des Reiches und den KonstanzerPatriziern wirkte. Einige zeigten mit Fingern auf sie und den Grafen und redeten eifrig auf ihre Nachbarn ein, wohl um diesen mitzuteilen, dass sie ihm regelmäßig das Bett wärmte.
    Der Konstanzer Bischof Friedrich von Zollern trat an den Altar und stimmte ein Gebet an, weniger weil ihm nach einer Zwiesprache mit Gott zumute war, sondern um sich und den Anwesenden die Zeit zu vertreiben. Es verging beinahe eine Stunde, bis Pfefferhart und Michel mit ihren Leuten zurückkehrten. Der Ratsherr trug ein längliches Holzkästchen vor sich her, so als fürchte er, sich daran zu beschmutzen, und legte es zu Füßen des Kaisers nieder. Sigismund befahl ihm mit einer knappen Geste, seinen Inhalt auf die Bank zu legen. Pfefferhart nahm ein Siegel nach dem anderen heraus, so als wäre jedes eine Beleidigung für ihn und die versammelten Herrschaften.
    »Der Abt von Waldkron besitzt nicht nur das Stadtsiegel von Konstanz, sondern auch die von mehreren edlen Geschlechtern, die kaum auf ehrlichem Weg in seinen Besitz gekommen sein können.«
    Abt Adalwig von St. Ottilien, der mit Ritter Dietmar und Frau Mechthild im hinteren Teil des südlichen Kirchenschiffs saß, stand auf und eilte nach vorn. »Das Kloster Waldkron ist in den letzten zwölf Jahren über die Gebühr mit großen Schenkungen bedacht worden, die die Erben manches verstorbenen Mannes überraschten und oft auch in Schwierigkeiten brachten. Ich bin überzeugt, dass die Siegel zum Fälschen von Testamenten benutzt wurden.«
    Diese Anklage riss etliche Edelleute von ihren Bänken, und diejenigen unter ihnen, die gutes Land teilweise mit ertragreichen Dörfern darauf an das Kloster Waldkron hatten abgeben müssen, meldeten lautstark ihre Ansprüche an. Es dauerte eine ganze Weile, bis es Eberhard von Württemberg und Bischof Friedrich von Zollern gelang, die Herren zu beruhigen. Doch die Stille hielt nicht lange an. Auf einen Wink Pfefferharts schlepptenmehrere Pfälzer Fußknechte unter Michels Aufsicht einen Sekretär heran, dessen aufwändigen Drechsel- und Intarsienarbeiten die raue Behandlung durch die Soldaten nicht gut getan hatte. Magister Ruppertus schrie empört auf und versuchte, sich von seinen Bewachern loszureißen.
    Auf Michels Befehl stellten seine Männer das Möbelstück vor dem Altar ab. »Nachdem der Magister Ruppertus Splendidus vorhin ebenfalls der Fälschung beschuldigt

Weitere Kostenlose Bücher