Die Wanderhure
so viel Geld, dass selbst meine treuen Vasallen sich ausgeplündert fühlen.« Der Kaiser hatte oft genug den Spottversen Oswalds von Wolkenstein gelauscht und konnte Madeleine daher nicht ernst nehmen.
Die französische Hure warf den Kopf hoch und fixierte den Kaiser mit durchdringendem Blick. »Ja, wir haben Grund, uns zu beschweren. Ihr glaubt wohl, wir würden aus lauter Habgier so viel Geld nehmen. Aber dem ist nicht so …«
»Ach nein? Mir ist zu Ohren gekommen, dass ihr euch wie Harpyien aufführt und euch kaum mit dem Doppelten des von derStadt festgesetzten Preises zufrieden gebt!« Der Ratsherr Alban Pfefferhart trat zwischen Madeleine und den Kaiser und unterbrach sie erregt. Offensichtlich wollte er es dem Herrn des Heiligen Römischen Reiches nicht länger zumuten, mit einer Hure sprechen zu müssen.
Madeleine maß den Mann, der sich in sein bestes Gewand geworfen hatte und dennoch unter den prachtvoll gekleideten Edelleuten wie ein Rebhuhn unter Goldfasanen wirkte, mit einem abschätzigen Blick. »Eure Bäcker und Fleischhauer halten sich auch nicht an die festgesetzten Preise, wenn sie eine Hure kommen sehen, sondern verlangen von uns das Vierfache für einen Laib Brot oder eine Wurst. Der von Euch festgesetzte Höchstpreis garantiert nur den hohen Herrschaften ein halbwegs billiges Auskommen. Wir Hübschlerinnen müssen zahlen, was man von uns verlangt, wenn wir nicht verhungern wollen.«
Pfefferhart kniff die Lippen zusammen. »Ich werde dafür sorgen, dass man euch nicht mehr übervorteilt.« Er glaubte, Madeleine damit besänftigt zu haben. Die Hure wandte sich jedoch erneut an den Kaiser.
»Das war nur der erste Punkt auf der Liste unserer Beschwerden und noch einer der geringsten. In erster Linie geht es uns Hübschlerinnen um die unlautere Konkurrenz der einheimischen Weiber, die für die Konzilsteilnehmer und ihr Gefolge die Röcke heben und die Preise verderben. Die meisten Hübschlerinnen hat man wegen kleinster Vergehen für unehrlich erklärt und zum Gewerbe der Hurerei verdammt. Andere wurden als halbe Kinder wie ein Sack Mehl an Hurenwirte verkauft und bezahlen es ihr Leben lang mit der Verachtung ihrer Mitmenschen. Nun fragen wir uns, wieso die Konstanzer Mägde sich eine Mitgift und die Bürgersfrauen ein Zubrot mit Unzucht verdienen und weiterhin als ehrbar gelten dürfen.«
Der Kaiser sah Pfefferhart an, als wolle er ihn für die peinliche Situation verantwortlich machen. »Entspricht das der Wahrheit?«
Der Ratsherr wurde ebenso bleich, wie er vorher rot angelaufen war. »Nun ja, es gibt sicher ein paar Küchenmägde, die sich für ein paar Pfennige mit einem Mönch oder Soldaten einlassen. Da kann man schlecht etwas dagegen tun.«
Madeleine lachte Pfefferhart höhnisch ins Gesicht. »Die eine oder andere Magd, sagt Ihr? Es geben sich mehr Konstanzer Weiber der Hurerei hin, als die Bordelle Hübschlerinnen beherbergen, und sie tun es meist sogar mit Wissen und Billigung ihrer Ehemänner und Väter. Da ihre Kosten geringer sind als die unseren, können sie unsere Preise unterbieten und damit die Männer zu sich locken.«
Eine ältere Pfennighure, die sich neben Madeleine geschoben hatte, zog ihr Kleid über dem Rücken hoch und reckte dem Kaiser ihre von weißen Striemen bedeckte Kehrseite zu. »Das hat man mit mir gemacht, als man mich mit einem anderen Kerl als meinem Mann im Bett erwischt hat! Danach bin ich ohne einen Pfennig in der Tasche aus der Stadt getrieben worden und wäre beinahe im Straßengraben verreckt. Wenn die ach so ehrbaren Frauen von Konstanz mir jetzt mein Brot wegnehmen, muss ich im Winter vor die Hunde gehen.«
Der Kaiser starrte auf ihren nicht gerade schönen Hintern und schien seinem empörten Tonfall zufolge dem Ratsherrn auch daran die Schuld geben zu wollen. »Stimmt es, dass sich hier ehrbare Bürgerinnen und Jungfrauen der Unzucht hingeben?«
Pfefferhart hob mit einer hilflosen Geste die Hände. »Verzeiht, Euer Majestät. Von solchen Dingen ist mir nichts bekannt.«
»Dann solltet Ihr mal Eure Ohren aufsperren, Ratsherr«, riet Madeleine ihm. »Schaut Euch doch in dem Haus zur Ähre in der Ringwilgasse um. Dort wird es besonders arg getrieben.«
Pfefferhart schnaubte. »Der Bürger Balthasar Rübli hat dort ganz offiziell ein Bordell eingerichtet.«
»Und lässt dort sein Weib, seine Töchter und seine Mägde anschaffen!«, rief eine von Madeleines Mitstreiterinnen von hinten.
»Wer hurt, darf nicht mehr als ehrbare Frau gelten.« Die
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