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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Hand stützte und mit einemseltsam entrückten, aber nicht unzufriedenen Lächeln den Eintretenden entgegensah. Neben dem Pfälzer entdeckte Marie Eberhard von Württemberg, der sich bei ihrem Anblick aufrichtete und ihr mit einem fast jungenhaften Lächeln zuzwinkerte. Wir haben es geschafft, schien er ihr sagen zu wollen, und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Armesünderbank, auf der neben Ruppert seine Spießgesellen Utz, Hunold, Melcher, Linhard und noch drei andere, Marie unbekannte Männer hockten. Bis auf Linhard, der in seinen Ordenshabit gekleidet war und mit gesenktem Kopf und andächtig gefalteten Händen in sich hineinzuhorchen schien, hatte man die anderen in Schandkittel gesteckt und mit Ketten gefesselt.
    Als Marie Rupperts hasserfüllten Blick auf sich gerichtet sah, wandte sie sich ab und sah nach vorne zur Richterbank. Für einen Augenblick glaubte sie, ihr Herz bliebe stehen, denn dort saß Honorius von Rottlingen, der Richter, der damals den Stab über sie gebrochen hatte. Auch die Beisitzer waren dieselben, und sogar den Gerichtsschreiber erkannte sie wieder, der inzwischen sichtbar vergreist war. Pater Honorius’ Miene wirkte diesmal jedoch nicht überheblich und angewidert, sondern so verbissen, als säße er über sich selbst zu Gericht.
    Als Marie auf einen Wink des Richters zu einem Hocker neben dem Richtertisch geführt wurde und nun die mehr im Hintergrund sitzenden Zuschauer erkennen konnte, entdeckte sie neben Ritter Dietmar, dessen Gemahlin und Abt Adalwig von St. Ottilien unter ihnen. Auch Michel war anwesend. Er stand in seiner besten Uniform neben der Tür und wirkte seltsam nachdenklich.
    Als die vier Nonnen sich bis an die Wand zurückgezogen hatten, hob Honorius von Rottlingen die Hand, um Ruhe einzufordern. Er warf Ruppert einen Blick zu, als mache er ihn für alle Schwierigkeiten verantwortlich, die er je gehabt hatte und noch bekommen würde, und verneigte sich dann vor dem Kaiser und andeutungsweisevor dem Bischof von Konstanz, der nicht zu seinen Freunden zu zählen schien.
    »Wir sind heute hier im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes versammelt, um Gerechtigkeit zu üben.« Er sagte es in einem Ton, als müsse er daran ersticken. »Die Angeklagten Ruppertus Splendidus und Utz Käffli sind vielerlei Verbrechen für schuldig befunden worden und werden morgen auf dem Brüel hingerichtet. Ruppertus Splendidus wird zum Feuertod verurteilt, seine Asche soll anschließend in den Rhein gestreut werden, so dass zum Tag der Auferstehung nichts mehr von ihm übrig ist. Utz Käffli wird auf das Rad geflochten.«
    Während Utz das Urteil regungslos hinnahm, schrie der Magister auf und verfluchte den Richter. Ehe er aber mehr sagen konnte, wurde er von zwei Bütteln geknebelt. Melcher, Hunold und die drei anderen hoben die Köpfe, als hofften sie, mit leichteren Strafen davonzukommen, sanken aber bei den nächsten Worten wieder in sich zusammen.
    »Hunold, der Büttel, wird wegen Vergewaltigung einer Jungfrau, Täuschung des Gerichts und anderer, in der Verhandlung zu Tage gekommener Vergehen zum Tod durch Erdrosseln verurteilt. Diese Strafe trifft auch den Böttcherlehrling Melcher wegen Beihilfe zum Mord, den Fährmann Hein wegen Diebstahl und Beihilfe zum Mord, den Kaufmannsgehilfen Adalbert und den ehemaligen Mönch Festus wegen Urkundenfälschung, Beihilfe zum Betrug und Diebstahl.
    Der letzte Angeklagte, Linhard Merk, der nun Bruder Josephus genannt wird, soll als geständiger und reuiger Sünder bis zu seinem Tode in strenger Klosterhaft gehalten werden. Alle diese Männer waren Gehilfen des Hauptangeklagten Ruppertus Splendidus und haben ihn bei seinen ungeheuerlichen Verbrechen unterstützt.«
    Honorius von Rottlingen schwieg für einen Moment und blickte nun Marie an. Dabei sah er so aus, als habe er an einer giftigenKröte zu kauen. »Es ist der Wille Seiner Majestät, des Kaisers, sowie aller hier versammelten hohen Herren des Reiches, dir, Marie Schärerin, Tochter von Matthis Schärer, Bürger der Stadt Konstanz, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Schwester Theodosia, tue deine Pflicht.«
    Die Oberin, die Marie hierher begleitet hatte, ließ sich von einer ihrer Nonnen eine Schere reichen, während die beiden anderen ein Becken mit glühenden Kohlen herbeibrachten. Dann trat sie auf Marie zu, fasste eines von Maries Hurenbändern mit spitzen Fingern und schnitt es dicht über dem Kleid ab. Mit einer Geste des Abscheus warf sie den gelben

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