Die Wanderhure
verwirrt, denn er spendete ihnen den Trausegen, ohne sie gefragt zu haben, ob sie damit einverstanden waren. Sie drehte sich zu Michel um, da er jedoch keinen Einspruch erhob, wagte auch Marie nicht zu protestieren.
»Und so erkläre ich euch zu Mann und Frau, Amen.« Abt Adalwig war sichtlich zufrieden mit sich, weil er das Sakrament der Ehe fehlerfrei und ohne Stottern hinter sich gebracht hatte.
Während der kurzen Zeremonie hatte Michel die wachsende Verblüffung in Maries Gesicht verfolgt. Sie wirkte so fassungslos, als hätte man sie schlussendlich doch noch zum Schandpfahl geschleppt, und unwillkürlich ärgerte er sich über sie. Schließlich war eine Heirat mit ihm eine andere Sache, als zur Auspeitschung auf der Marktstätte verurteilt zu werden. Dann erinnerte er sich daran, dass es ihm vor weniger als vierundzwanzig Stunden ähnlich ergangen war.
Er musste seinen Dienstherrn, den Pfalzgrafen Ludwig, zu einer Beratung beim Grafen von Württemberg begleiten und fand dort neben dem Gastgeber auch den Konstanzer Bischof Friedrich von Zollern, den Ratsherrn Alban Pfefferhart sowie Frau Mechthild und Ritter Dietmar von Arnstein vor.
Der Württemberger hielt sich nicht mit langen Vorreden auf, sondern kam nach einer knappen Begrüßung sofort zur Sache. »Und was soll jetzt mit Marie geschehen?«
Alban Pfefferhart hob abwehrend die Hände. »Hier in Konstanz kann sie schlecht bleiben. Wir können ihr zwar das Bürgerrecht zurückgeben und ein Haus, in dem sie leben kann, aber dann würden sich Abend für Abend die losen Lümmel der Stadt in ihrem Hof versammeln und hoffen, dass ihre Moral locker genug geblieben wäre, um ihnen eine angenehme Nacht zu verschaffen. Der Magistrat der Stadt, dem ich ja auch angehöre, schlägt deshalb vor, ihr das Bürgerrecht in einer weit entfernten Stadt zu beschaffen, wo sie ihn Ruhe leben kann.«
»Das wäre euch Konstanzer Pfeffersäcken wohl das Liebste«, spottete der Graf von Württemberg. »Doch ich frage euch, wie unbehelligt eine allein stehende Frau in welcher Stadt des Reiches auch immer leben kann.«
In diesem Augenblick fand Michel es an der Zeit, selbst das Wort zu ergreifen. »Marie braucht den Schutz eines Mannes. Daher werde ich sie fragen, ob sie nicht bei mir bleiben will.«
»Als Mätresse?« Die Stimme des Württembergers hatte scharf geklungen, doch dann war ein breites Lächeln auf seinen Lippen erschienen. »Nein, das lasse ich nicht zu. Du wirst sie heiraten müssen.«
Frau Mechthild schüttelte empört den Kopf. »Michel Adler ist ein Offizier das Pfalzgrafen und einer seiner Ministerialen. Er kann keine Hure heiraten.«
Der Konstanzer Bischof hob beschwichtigend die Arme und lächelte, als wäre ihm ein vergnüglicher Gedanke gekommen.
»Dafür gibt es eine Lösung, Frau Mechthild. Lasst mich auch meinen Teil zu einem guten Ausgang tun.«
»Dann sind wir uns ja einig.« Der Württemberger machte deutlich, dass er keinen weiteren Widerspruch zu hören wünschte, ging auf Michel zu und klopfte ihm auf die Schulter. »Es wird sich für dich auszahlen, Bursche. Wenn du Marie heiratest, mache ich dich zum Burghauptmann in einer meiner Städte. Wenn dann irgendein Kerl ein falsches Wort über deine Frau sagt, kannst du ihn mit meinem Segen getrost in den Turm werfen lassen.«
Michel starrte den Württemberger an und wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Dann wanderte sein Blick zum Pfalzgrafen, der so aussah, als wüsste er nicht, ob er über das Ganze herzhaft lachen oder mit der Faust dazwischenschlagen sollte. Schließlich trat Herr Ludwig neben Michel.
»Für das Stiften von Ehen seid Ihr ja bekannt, Herr Eberhard, vor allem, wenn es um Eure abgelegten Mätressen geht. Doch Michel ist mein Gefolgsmann und wird es bleiben.«
Michel schüttelte die Erinnerung an diese Szene mühsam ab und versuchte zu begreifen, dass Marie ihm jetzt vor Gott und der Welt gehörte. Ihrem abweisenden Gesicht nach schien sie ihm jedoch ferner zu sein als selbst in den fünf Jahren, in denen sie über die Landstraßen gezogen und er im Pfälzer Dienst aufgestiegen war. Bevor er ein Wort mit ihr wechseln konnte, traten Eberhard von Württemberg und Ludwig von der Pfalz auf sie zu und schüttelten ihnen die Hände.
Das Lächeln des Württembergers verriet Marie, wer für diesen letzten Streich verantwortlich war, und sie hätte ihm am liebsten lautstark die Meinung gesagt. Sie war keine Puppe, über die man so einfach bestimmen konnte, und Michel hatte
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