Die Wanderhure
gewiss eine bessere Frau verdient als eine Wanderhure. Sie kam jedoch nicht dazu, sich bei Graf Eberhard zu beschweren, denn immer mehr Leute erschienen, um ihnen zu gratulieren. Ritter Dietmar warso verlegen, dass er Marie nicht anzublicken wagte, Alban Pfefferhart wirkte hingegen höchst erfreut, so als wäre mit dieser Eheschließung ein Makel von ihm und der ganzen Stadt genommen worden. Sogar der Kaiser ließ sich herab, ihr und Michel kurz die Hand auf die Schulter zu legen und ihnen Glück und reichen Kindersegen zu wünschen.
Marie wagte es nicht, Michel dabei anzusehen, und atmete auf, als Frau Mechthild sie am Arm fasste und sie aus dem Saal führte. Als sie sich auf dem Flur noch einmal umdrehte und in den Saal zurückblickte, sah sie, wie der Pfalzgraf Michel einen Becher mit Wein in die Hand drückte, um mit ihm anzustoßen. Dann schloss sich die Tür, und Marie fühlte sich, als sei sie abermals zu einem ungewissen Schicksal verdammt worden.
Sie drehte sich zu Frau Mechthild um. »Das Ganze ist doch lächerlich. Ich kann Michel nicht heiraten.«
Die Burgherrin wies auf den Gang, der zum Tor führte. »Komm, jemand wartet schon ungeduldig auf dich, und wir sollten uns beeilen. Was deine Heirat betrifft, bist du vor Gott und den Menschen jetzt Michel Adlers Frau. Ich kann verstehen, dass du dich überfahren fühlst, aber uns schien das die beste Lösung. Du bist keine Jungfrau mehr, aber auch keine Witwe, und du hättest kaum mit einem anderen Mann in den heiligen Stand der Ehe treten können, ohne ihm deine Vergangenheit zu enthüllen. Um dich nicht in eine solche Verlegenheit zu bringen und jedes Gerede im Keim zu ersticken, schlug Graf Eberhard von Württemberg vor, dich mit deinem Jugendfreund zu verheiraten, der dir seit vielen Wochen wie ein Schatten gefolgt ist. Der Rat der Stadt Konstanz war sehr froh über diese Lösung, und die Herren Muntprat und Pfefferhart spenden dir sogar eine ansehnliche Mitgift. Michel bekommt keine arme Frau, Marie. Mit dem, was du als Entschädigung für dein verlorenes Vatererbe erhältst, bist du sogar sehr reich.«
In Frau Mechthilds Worten schwang ein wenig Neid mit. Sie lächeltejedoch begütigend, um diesen Eindruck wieder wettzumachen. Während sie neben Marie im Wagen Platz nahm, ergriff sie deren Hände.
»Ich möchte mich bei dir entschuldigen, Marie, denn ich habe dir unrecht getan. Als du vor ein paar Wochen zu uns gekommen bist, war ich überzeugt davon, dass du meinen Platz im Bett meines Gemahls wieder einnehmen wolltest, und war plötzlich eifersüchtig. Außerdem habe ich geglaubt, du wolltest uns mit irgendwelchen Märchen für deine Zwecke einspannen. Von Graf Eberhard wissen wir, dass du tatsächlich das echte Testament für uns zurückgewonnen hast. Jetzt haben wir nicht nur die Herrschaft Mühringen erhalten, sondern auch einen Teil des früher zur Burg Felde gehörenden Besitzes, der unser Land ideal abrundet. Mein Gemahl und ich sind dir sehr dankbar und würden dich gerne belohnen. Wenn es also etwas gibt, was du dir wünschst, seien es Bauernhöfe, Forste oder Weinberge, dann sprich es ruhig aus.«
Der Wagen setzte sich in Bewegung, doch diesmal interessierte Marie sich nicht dafür, wohin er fuhr. Sie dachte an Hiltrud, die sie damals gerettet und sie trotz allem Widerstreben gegen ihre Rachepläne immer unterstützt hatte. Der Freundin war sie es schuldig, ihr ebenfalls zu einem besseren Leben und zu ein wenig Glück zu verhelfen. Sie wusste zwar nicht, ob es möglich war, die Winterromanze zwischen ihrer Freundin und dem Arnsteiner Ziegenhirten neu zu beleben, aber einen Versuch war es auf alle Fälle wert.
»Wenn Ihr Euch wirklich erkenntlich zeigen wollt, Frau Mechthild, so schenkt meiner treuen Gefährtin Hiltrud einen Bauernhof und lasst sie Euren Thomas heiraten.«
Frau Mechthild schien die Idee zu gefallen. »Gerne. Soll der Hof zu Arnstein gehören, oder hättest du deine Freundin lieber in deiner Nähe?«
Marie lachte kurz auf. »Ich hätte Hiltrud liebend gerne in meiner Nähe, aber ich weiß ja nicht, wohin der Wind mich bläst.«
Frau Mechthild legte ihr die Hand auf den Oberschenkel und blinzelte ihr verschwörerisch zu. »Dein Michel wurde vom Pfalzgrafen Ludwig zum Burghauptmann von Rheinsobern ernannt. Das ist eine der beiden Herrschaften, die der Pfalzgraf aus dem Besitz des Keilburgers zugesprochen erhielt.«
»Schön für ihn.« Marie tat diese Nachricht mit einem Schulterzucken ab. Sie war jedoch neugierig
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