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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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für dich tun können.«
    Hedwig entwand sich Winas Armen und eilte auf ihren Vater zu. »Da hörst du es, Vater. Es ist hauptsächlich Wilmars Verdienst, dass ich unbeschadet vor dir stehe.« In ihrem Blick lag eine Bitte, der Mombert nicht widerstehen konnte.
    Er schob seine Tochter in Wilmars Arme. »Nun, wenn es so ist, habt ihr beide meinen Segen.«
    Wilmar strahlte Marie dankbar an, doch sie konnte seinen Blick nicht erwidern, da sie sich um die alte Haushälterin ihres Vaters kümmern musste. Wina hatte es zunächst kaum gewagt, sie zu berühren, doch kaum hatte Marie ihr aufmunternd zugelächelt, schlang sie die Arme um sie und beteuerte tränenreich, dass dies der schönste Tag ihres Lebens sei. Marie streichelte sie und wiegte sie wie ein Kind in den Armen. Es war schön, jemand zu haben, der einen liebte.

VIII.
    A m nächsten Tag reiste der Kaiser ab. Er verließ Konstanz mit der Miene eines Mannes, der seiner Meinung nach viel zu lange in dieser Stadt aufgehalten worden war. Auch für Marie kam die Stunde des Abschieds näher. Sie wäre am liebsten schon beim ersten Morgengrauen still und heimlich verschwunden, doch Pfefferhart hatte ihr klar gemacht, dass es ihre Pflicht war, der Bestrafung der Männer beizuwohnen, denen sie fünf Jahre der Entehrung und den Tod ihres Vaters zu verdanken hatte. Bei Hunold, Melcher und den anderen Helfershelfern von Ruppert ging es schnell. Der Henker legte ihnen ein Seil um den Hals und zog so lange zu, bis sie sich nicht mehr rührten. Dann verknotete er das Seil, um zu verhindern, dass der Delinquent doch noch einmal zu sich kam, und ging zum nächsten.
    Utz hingegen wurden die Knochen gebrochen, ohne dass er den Gnadenstoß gegen die Brust erhielt, dann flocht man ihn bei vollem Bewusstsein auf das Rad. Er schrie jedoch nicht und bat auch nicht um ein schnelleres Ende, sondern verhöhnte das Gericht und prahlte mit seinen Verbrechen. Er schien stolz auf seine Taten zu sein, für die er einen Ehrenplatz in der Hölle beanspruchte. Jetzt brüllte er hinaus, welche Ritter und andere Standesherren er ermordet habe, und erwähnte dabei auch Ritter Dietmars Onkel Otmar und einige andere Erblasser und Erben, deren Namen Marie noch geläufig waren. Schließlich behauptete er noch, dass er Konrad von Keilburg für Ruppert hätte ermorden sollen, und bedauerte, dass es dazu nicht mehr gekommen war.
    Während der Fuhrmann noch seine Untaten hinausschrie, wurde Ruppert zum Scheiterhaufen geführt. Er jammerte zum Steinerweichen, bettelte um sein Leben und bot seine Dienste dem Bischof von Konstanz, Graf Eberhard von Württemberg und jedem anderen der hohen Herren an, der ihn vor dem Feuertodbewahren würde. Doch er bekam nur den Hohn und die Verachtung der Konstanzer Bürger zu hören, und schließlich bewarfen ihn die Gassenjungen, die sich in die erste Reihe geschmuggelt hatten, mit Dreck. Die Henkersknechte mussten ihn zum Pfahl tragen und ihn festhalten, um ihn anbinden zu können. Ungerührt von seinem Flehen schichteten sie Holz und Reisig um ihn auf und zündeten es auf Befehl des Richters an. Als die Flammen ihn umzüngelten, gellten seine Schreie schaurig über den Brüel.
    Marie verharrte nur so lange, wie es von ihr erwartet wurde, und lief dann zum Grab ihres Vaters, um dort ihr erstes Gebet an diesem Ort zu sprechen. Michel, der ihr seit dem frühen Morgen gefolgt war, obwohl sie ihn kaum eines Blickes, geschweige denn eines Wortes gewürdigt hatte, schloss sich ihr an und kniete ebenfalls nieder, um zu beten.
    Als sie in die Stadt zurückkehren wollte, zog er sie an sich und führte sie, ohne auf ihr Widerstreben zu achten, hinunter zum Hafen und brachte sie auf eine Rheinbarke, die nur noch auf sie beide gewartet zu haben schien. Der schnelle, undramatische Abschied von Konstanz irritierte sie, denn nach der Hinrichtung ihres Feindes hatte sie sich darauf eingestellt, ein paar Tage mit Mombert und seiner Familie zu verbringen, auch wenn sie die tränenreiche Dankbarkeit ihrer Verwandten ein wenig anstrengte. Zu ihrer Verblüffung sah sie Mombert und seine Familie weiter vorne im Bug sitzen und den Schifferknechten zuschauen. Sie löste sich aus Michels Armen und machte eine Bewegung, als wolle sie auf ihren Onkel zugehen, blieb dann aber im Heck stehen. Ihr war immer noch nicht danach, mit jemandem zu reden.
    Es würde nicht leicht für sie sein, sich an ein neues Leben als Frau eines Burghauptmanns zu gewöhnen, das eine Vielzahl ungewohnter Pflichten mit sich

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