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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ebenso schäbigen Decke zugedeckt. Über ihr spannte sich eine von Alter und ständigem Gebrauch verfärbte Zeltleinwand, auf der Sonnenstrahlen und Schatten von Zweigen und Blättern spielten.
    Marie erinnerte sich verschwommen, dass sie zuletzt vor einem Rudel bissiger Hunde davongelaufen war und sich dann unter einen Baum gelegt hatte. War sie tot? Nein, wie das Paradies sah es hier nicht aus, aber auch nicht wie die Hölle. Ungeachtet derSchmerzwellen drehte sie sich um, richtete sich auf und entdeckte eine Frau, die den Rest des Zeltes auszufüllen schien.
    Die Fremde saß mit untergeschlagenen Beinen auf einer fadenscheinigen, vielfach geflickten Decke und nähte an einem gelben Kittel. Trotz ihrer Größe wirkte alles an der Frau harmonisch. Das helle Haar und die sonnengebräunte Haut zeigten, dass sie sich viel im Freien aufhielt.
    Die Fremde bemerkte, dass Marie sie beobachtete, hob den Kopf und musterte sie mit grauen, abweisend und streng dreinblickenden Augen. »Endlich wach geworden? Du siehst ja schon recht munter aus. Das freut mich.«
    Trotz der freundlichen Worte klang die Stimme der Frau ebenso ablehnend wie ihr Blick. Marie zog sich unsicher in sich selbst zurück und starrte die Fremde an, die ununterbrochen weiternähte. Erst nach einer Weile wagte sie, sie anzusprechen.
    »Wo bin ich? Und wer bist du?« Ihre Stimme klang wie das Krächzen eines Raben.
    »In meinem Zelt auf dem Jahrmarkt von Merzlingen. Ich heiße Hiltrud.«
    »Ich bin Marie.«
    Hiltrud legte die Hand auf Maries Stirn und nickte zufrieden. »Es sieht so aus, als wärst du über den Berg. Dein Fieber ist weg.«
    »Fieber? War ich denn krank?« Noch während sie fragte, quollen die albtraumhaften Bilder der letzten Stunden in Konstanz in ihr empor, und sie griff unwillkürlich auf ihren zerschlagenen Rücken.
    Hiltrud hielt ihre Hand auf und zog sie wieder nach vorne. »Fass nicht dorthin. Du musst deinen Rücken in Ruhe heilen lassen und darfst auf keinen Fall kratzen. Die Wunden sehen schlimm aus, doch Peter meint, dass nur wenig sichtbare Narben zurückbleiben werden, vorausgesetzt, die Striemen entzünden sich nicht weiter, denn sonst werden sie zu harten Wülsten.«
    »Wer ist Peter?«
    »Peter Krautwurz ist ein Apotheker aus Merzlingen und ein guter Freund von mir. Er hat mir geholfen, dich zu verarzten.«
    »Merzlingen?« Es dauerte einige Augenblicke, bis sich Marie an diesen Ort erinnern konnte. »Das ist aber ganz schön weit weg von zu Hause.«
    Hiltrud wies auf die Reste von Maries Kittel, die sie achtlos in eine Ecke geworfen hatte. »Du dürftest kein Zuhause mehr haben. Wenn du nichts dagegen hast, werde ich das Zeug verbrennen. Du kannst derweil diesen Kittel anziehen. Ich hoffe, er passt, denn ich musste ihn enger machen, ohne bei dir Maß nehmen zu können.«
    Marie starrte das unförmige Kleidungsstück entsetzt an, schluckte jedoch eine abwehrende Bemerkung und fragte stattdessen: »Wie bin ich eigentlich zu dir gekommen?«
    »Ich habe dich neben der Straße gefunden und mitgenommen.«
    Marie senkte den Kopf. »Ich wünschte, du hättest mich dort sterben lassen.«
    »Warum? Ich kann eine hübsche Magd gut gebrauchen.« Hiltrud empfand wenig Lust, Marie zu schonen. Je eher das Mädchen sich mit ihrem Schicksal abfand, umso besser war es für sie beide.
    Marie sah sich zweifelnd um. Alles um sie herum war schäbig und abgenutzt, und der Stoff, aus dem die Kleidung der Frau bestand, war von so schlechter Qualität, dass Elsa und Anne ihn entrüstet zurückgewiesen hätten. »Eine Magd? Wer bist du, dass du einen Dienstboten benötigst?«
    Hiltrud zog eines der gelben Bänder an ihrem Rock hoch, die für jedermann sichtbar ihren Stand kennzeichneten. »Ich bin eine Hübschlerin.«
    Sofort ärgerte sie sich, weil sie den verharmlosenden Begriff gewählt hatte, anstatt offen und ehrlich zu bekennen, dass sie eine umherwandernde Hure war.
    Marie verstand sie auch so. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Ekel,und sie wich bis an die Zeltwand zurück. »Du treibst es freiwillig mit Männern?«
    Ihre Stimme drückte die Abscheu eines Mädchens aus, dessen einzige Erfahrung mit Männern aus einer brutalen Vergewaltigung bestand.
    Hiltrud zuckte mit den Achseln. »Von irgendetwas muss ich ja leben.«
    »Aber da ist alles andere noch besser, sogar das Betteln!«
    Hiltrud griff in jenen Winkel, in dem die Reste des Schandkittels lagen, und hielt Marie die Dämonenfratze der Wollust vor das Gesicht. »Jetzt höre mir einmal gut

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