Die Wanderhure
geachtete Bürgerin gelten. Die einzige Chance, den Mantel des Vergessens über ihr Unglück zu breiten, stellte eine Heirat mit einem geachteten Bürger dar, der um der reichen Mitgift willen bereit war, über ihre Schande hinwegzusehen und wegzuhören, wenn Gerüchte sie einholten. Dabei konnte sie noch von Glück sagen, dass es ihr nicht so ergangen war wie Fita, der Jüngsten der drei anderen.
Fita war eine hübsche, in sich gekehrte Frau knapp über zwanzig mit braunem Haar und einer Menge Sommersprossen auf Nase und Wangen. Sie war früher Dienstmagd im Haus eines wohlhabenden Handwerksmeisters gewesen und hatte diesem zu Willen sein müssen. Als sie schwanger geworden war, hatte ihre Herrin sie beim Pfarrer als Hure angezeigt und auf strenger Bestrafung bestanden. Der fromme Kirchenmann hatte dafür gesorgt, dass Fita ausgepeitscht und auf beiden Schultern gebrandmarkt worden war. Marie hatte die Narben gesehen, als sie und Fita sich am Bach gewaschen hatten. Auch wenn die Male im Lauf der Jahre verblasst waren, sahen sie immer noch schrecklich aus.
Fitas mollige Kollegin Berta, eine kleine Frau mit einem runden roten Gesicht und kurzen schwarzen Haaren, schien kein so schweres Schicksal gehabt zu haben und mit ihrem Leben recht zufrieden zu sein. Sie riss das Gespräch immer wieder an sich, sprach nur von sich und von Männern und verwendete dabei Ausdrücke, die Marie die Schamröte ins Gesicht trieben. Ihr Körper war ihr Geschäftskapital, das Pfund, mit dem sie wucherte. Dabei war sie ihren eigenen Worten nach nicht sonderlichwählerisch, was die Freier betraf, und ihr Geruch verriet, dass sie nicht viel von Sauberkeit hielt. Sie war nur wenig älter als Hiltrud, wirkte aber schon verbraucht.
Die dritte Frau hieß Gerlind und war die Älteste in der Runde. Sie hatte die breiten Hüften einer Matrone, doch ihr Gesicht war immer noch so glatt wie das einer jungen Frau. Nur die grauen, sehr fülligen Haare, die ihr bis zu den Hüften reichten, verrieten ihr Alter. Sie hielt sich und ihre Kleider sauber und war sichtlich stolz auf ihr immer noch gutes Aussehen. Hiltrud behandelte sie mit einer ehrfürchtigen Scheu, da sie die Geheimnisse vieler Kräuter kannte und nützliche Tränke und Tinkturen brauen konnte, worin sie, das flüsterte Hiltrud Marie zu, sogar mehr Erfahrung hatte als Peter Krautwurz.
Berta, die gerade eine neue Geschichte zum Besten gab, hörte Hiltruds Bemerkung und stieß Gerlind an. »Damals hätte ich deinen Sud gegen das Kinderkriegen brauchen können, dann wären mir vier Schwangerschaften erspart geblieben. Haben eh nicht lange gelebt, die Würmchen.«
»Dafür kann ich nichts«, gab Gerlind zurück.
»Ich beschwere mich ja nicht, denn ich bin ja froh, das Zeug von dir zu bekommen. Wenn ich da an die armen Dinger in den städtischen Hurenhäusern denke, die für jeden, vom Dorfbüttel angefangen bis zum Dompropst, die Beine breit machen müssen, und dabei fast jedes Jahr ein Junges werfen, schüttelt es mich. Ich verzichte gern auf ein festes Dach über den Kopf, wenn ich dafür frei und unabhängig bin.«
Fita wandte sich ab und hob abwehrend die Hände. »Ich gäbe viel darum, wenn ich wieder einer Herrschaft dienen dürfte, die mir zweimal am Tag zu essen gibt und mich unter einem festen Dach schlafen lässt. Ich hasse dieses Leben.«
Berta sah sie verständnislos an. »Was ist so schlimm daran, eine Wanderhure zu sein? Wir sind unsere eigenen Herrinnen und können tun und lassen, was uns gefällt. Steht uns der Sinn danach,ins Böhmische zu ziehen oder an den Rhein, dann tun wir es eben. Im Vergleich zu den ach so ehrbaren Ehefrauen haben wir es doch gut. Die sind ihren Männern, denen es mehr Spaß macht, sie zu schlagen als zu stoßen, wehrlos ausgeliefert, und wenn sie sich beim Pfaffen beschweren, faselt dieser ihnen etwas vor, dass es Gottes Wille sei. Ich könnte mir zwar auch was Schöneres vorstellen, als vor dieser elenden Herberge hier zu sitzen. Aber ich sage mir immer, heut ist heut und morgen morgen. Überflüssige Gedanken stören da nur.«
Fita hob mit einer verzweifelten Geste den Kopf. »Du weißt nicht, wie Recht du hast. Ich wünsche mir oft, ich könnte meine Gedanken anhalten wie ein Kutscher die Pferde. Doch das schaffe ich nicht. Ich denke immer wieder an früher, und es quält mich, dass ich täglich sündigen muss, um weiterleben zu können.«
Berta lachte auf. »Wenn du nicht erträgst, dass die Männer dich stoßen, musst du ins Wasser
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