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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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hat.«
    Berta schnaubte beleidigt und hielt Gerlind die Münzen hin. Gerlind zuckte mit den Schultern. »Das Erste, was eine Hure lernen muss, ist, die Münzen mit den Fingerkuppen zu unterscheiden. Du warst einfach zu gierig, und ich finde, es geschieht dir recht. Fita wäre nämlich an der Reihe gewesen.«
    »Sie war dran? Das hatte ich ganz vergessen. Wo ist sie denn?«
    Berta sah sich suchend um. Doch da kam Fita auch schon zwischen den Büschen hervor. Der Sohn des Handelsmanns folgte ihr ein paar Schritte und blieb dann stehen, um im Schein des Feuers seine Hose zuzuknöpfen. Sein tumbes Grinsen zeigte deutlich, wie sehr ihm die letzten Minuten zugesagt hatten.
    Sein Vater brauchte etwas länger, bis er wieder erschien. »Na, weißt du jetzt, was es heißt, ein Mann zu sein?«
    Der Junge nickte verwirrt. »Ich glaube schon. Es war zwar etwas seltsam, doch es hat mir gefallen.«
    »Das will ich auch hoffen. Schließlich kostet so ein Weibsstück Geld, und ich habe keines zu verschenken.« Der Kaufmann nahm nun den Mantel vom Ast. Erst als er ihn übergestreifthatte, schien er sich wieder der Huren zu entsinnen. Mit einem kurzen Schnauben, das sein Bedauern ausdrückte, Geld ausgeben zu müssen, öffnete er seine Börse, zählte ein paar Münzen ab und warf sie neben dem Lagerfeuer ins Gras.
    »Komm, Junge!«, befahl er seinem Sohn und wandte sich zum Gehen, ohne den Frauen noch einen Blick zu gönnen.
    »So ein ungehobelter Patron.« Hiltrud nahm einen brennenden Ast aus dem Feuer und leuchtete die Stelle ab, an der das Geld lag, und suchte die Münzen zusammen. »Besonders großzügig war der Mann ja nicht«, sagte sie zu Fita, als sie ihr die Hälfte der Münzen reichte.
    Berta zog die Nase kraus. »Ihr habt trotzdem um einiges mehr verdient als ich.«
    Gerlind lächelte schadenfroh. »Hättest du dich vorhin nicht vorgedrängt, würde Fitas Anteil jetzt dir gehören.«
    Berta schien Gerlinds Tadel gewohnt zu sein, denn sie ging nicht darauf ein. »Was waren das für zwei Kerle?«
    »Ein Vater, der seinen Sohn entjungfern lassen wollte und dabei selbst Appetit bekam«, klärte Hiltrud sie auf.
    Marie begann gegen ihren Willen zu kichern. »Entjungfert werden doch nur Frauen.«
    Gerlind ließ sich von ihrer Heiterkeit anstecken. »Wie willst du es sonst nennen? Entjünglingen hört sich grausam an.«
    »Entmannen kannst du auch nicht sagen. Das ist nämlich ganz etwas anderes«, setzte Berta hinzu. Ihr Bauch und ihr Busen wogten unter ihrem Lachen, so dass es für einen Augenblick so aussah, als würden ihre Speckrollen das fadenscheinige Kleid sprengen.
    Marie zog sich wieder in sich selbst zurück und kämpfte mit den Tränen. Gerlind und Fita waren sehr nett, aber ihr grauste davor, mit Berta reisen zu müssen. Die Frau entsprach genau dem Bild, das sich die anständigen Bürger von einer Wanderhure machten. Sie war schmutzig, ordinär und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht.Und ausgerechnet an ihr würde es liegen, ob sie und Hiltrud sich den drei anderen anschließen durften. Der Wagenzug, mit dem sie bisher gereist waren, war nicht zu einem Markt unterwegs. Deswegen hatte Hiltrud schon seit zwei Tagen überlegt, sich hier von ihm zu trennen, ohne jedoch zu wissen, wie sie von hier aus sicher weiterreisen konnten. Jetzt, wo sie zwei Mäuler zu stopfen hatte, durfte sie keinen Tag zu viel unterwegs sein. Gerlind lächelte Hiltrud über das Feuer hinweg zu und stocherte in der Glut, bis die Flammen hoch genug aufloderten, um sie alle zu beleuchten. »Hiltrud hat eben vorgeschlagen, dass wir fünf zusammen weiterziehen sollten. Die Donau abwärts bis Ulm gibt es in nächster Zeit eine Reihe von Jahrmärkten, auf denen wir gut verdienen könnten.«
    Marie bewunderte Gerlinds Geschick. Sie hatte den Vorschlag, gemeinsam weiterzureisen, vorgebracht, ohne Hiltrud als Bittstellerin erscheinen zu lassen.
    Berta wiegte den Kopf und legte ein paar Zweige nach, bevor sie Antwort gab. »Ich dachte, wir wollten Richtung Rhein wandern. Hiltrud und Marie können ja bis dorthin mitkommen.«
    Gerlinds Aufatmen verriet Marie, dass sie froh war, die Angelegenheit ohne große Diskussion geregelt zu haben. Sie sah Hiltrud so harmlos an, als wäre ihr jeder Hintergedanken fremd. »Was hältst du von Bertas Vorschlag?«
    »Viel! In den Häfen am Rhein kann man immer Geld machen.«
    Da Hiltrud ohnehin nicht vorgehabt hatte, die Donau entlangzureisen, fiel ihr dieses Zugeständnis leicht.
    »Also gut, bleiben wir zusammen.«

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