Die Wanderhure
frechen Dinger bildeten sich wunder was darauf ein, drückten sich vor der Arbeit und gaben meiner Mutter nur noch patzige Antworten.«
Mechthild von Arnstein sah nicht so aus, als würde sie ein solches Verhalten bei ihrem Gesinde dulden. Dafür wirkte sie zu resolut. Noch während Marie über das Angebot nachdachte, sprach die Dame weiter.
»Mein Gemahl lacht mich zwar wegen meiner übertriebenen Vorsicht aus und meint, er könne die vier oder fünf Monate, die er mein Lager meiden muss, durchaus auf eine Frau verzichten. Aber ich kenne die Männer. Wenn der Winter sie in den Gemächern einschließt und sie keinen Trost im Bett finden, kommensie früher oder später auf abwegige Gedanken oder werden gemütskrank.«
Marie nickte und zählte dann kurz nach. »Fünf Monate sagt Ihr? Das wäre Mitte Februar. Das ist zu früh, um weiterziehen zu können. Wir brauchen eine Unterkunft bis Mitte März oder, bei schlechtem Wetter, Anfang April. Ich möchte ungern mitten im Schnee auf die Straße getrieben werden.«
»Das wird nicht geschehen«, versprach Mechthild von Arnstein.
»Ihr werdet bis zum Frühjahr unsere Gäste sein, auch wenn ich euch nicht mehr benötige.«
Marie wiegte zweifelnd den Kopf, während Hiltrud sie verstohlen anstupste. »So schlecht ist die Idee gar nicht. Wir säßen den ganzen Winter über im Trockenen und brauchten kein Geld für Unterkunft und Verpflegung auszugeben.«
Mechthild von Arnstein lächelte Marie aufmunternd zu. »Deine Gefährtin hat die Vorteile unseres Angebots begriffen.«
Marie seufzte schon halb zustimmend. »Wie ist Euer Gemahl? Ich suche mir die Männer, die ich in mein Zelt lasse, sorgfältig aus. Ein grober Kerl, der Frauen im Bett wehtut, bleibt mir vom Leib.«
Die Dame lächelte versonnen. »Da brauchst du dich nicht zu sorgen. Mein Gemahl war mir immer ein zärtlicher Bettgenosse.«
»Was soll die Ziererei, Marie?«, fragte Hiltrud gereizt. »So eine Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder.«
Marie schloss kurz die Augen und horchte in sich hinein. Hiltrud hatte Recht. Würde sie zustimmen, wären sie über den Winter versorgt und würden nichts von ihren hart erarbeiteten Ersparnissen ausgeben müssen. Vielleicht verdiente sie sogar genug, um im nächsten Frühjahr noch einmal jemanden nach Konstanz schicken zu können. Sie musste sich nur einen zuverlässigeren Boten aussuchen als den lockeren Vogel von Sänger, auf den sie beim letzten Mal hereingefallen war.
Sie atmete tief durch und nickte. »Ich bin bereit.«
II.
M arie war es gewohnt, auf eigenen Füßen zu reisen, und sie hätte es auch jetzt gerne getan, denn der Karren, den Hiltrud und sie mit zwei Mägden und einem Dutzend Kisten, Körben und Fässern teilten, ächzte und stampfte schlimmer als ein Kahn auf dem Rhein. Jeder Knochen ihres Körpers tat ihr weh, und langsam beneidete sie den Knecht, der neben dem Wagen ging und die beiden störrischen Zugochsen antrieb. Hiltruds Ziegen hatte man hinten an den Wagenkasten gebunden. Sie liefen eifrig mit, nicht ohne den einen oder anderen Grashalm neben dem Weg abzurupfen und von Zeit zu Zeit ein Meckern auszustoßen, um Hiltrud auf sich aufmerksam zu machen. Dem kleinen Wagen hatten die Knechte die Räder abgenommen und ihn auf den größeren Gepäckwagen geschnallt, der von vier Ochsen gezogen wurde und den Schluss des Zuges bildete.
Vorneweg rollte der geschlossene Wagen Mechthilds von Arnstein, der genau wie die Gepäckkarren alle zwei, drei Schritt in ein Schlagloch absackte und schwankend wieder hochkam. Marie hatte gesehen, wie man die Dame auf ein Lager aus weichen Kissen gebettet hatte, die sie vor dem Rütteln und Stoßen ihres Gefährts schützen sollten. Trotzdem musste die Reise für die Burgherrin in ihrem gesegneten Zustand eine Qual sein. Auch ihretwegen würde Marie froh sein, wenn sie Burg Arnstein erreicht hatten, denn jetzt hing alles von dem Wohlergehen der Dame ab. Wenn sie vorzeitig mit einem toten Kind niederkam, würde der Burgherr zwei Wanderhuren als nutzlose Fresser ansehen und auf die Straße setzen.
Marie seufzte auf und klammerte sich im gleichen Moment an der Wagenwand fest, weil ein besonders harter Schlag sie das Gleichgewicht verlieren ließ. Sie sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie wirklich am Abend die Burg der Arnsteiner erreichten, auch wenn sie sich keine Illusionen darüber machte, was siedort vorfinden würde. Sie waren an etlichen trutzigen Burgen vorbeigekommen und hatten auf ein paar von ihnen
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