Die Wanderhure
schenkte sich noch etwas Wein ein, verdünnte ihn zu drei Vierteln mit Wasser und trank in kleinen Schlucken. Sie durfte auf keinen Fall betrunken werden, denn sie wollte den denkbar besten Eindruck auf Ritter Dietmar und Frau Mechthild machen.
Als einige Zeit später die Tür geöffnet wurde, nahm sie im ersten Moment an, Hiltrud sei zurückgekehrt. Es waren jedoch die beiden Mägde mit einem Schaff Wasser. Die jüngere, ein quirliges Mädchen, das ihr gerade bis zum Kinn reichte, lief noch einmal hinaus und kam kurz darauf mit einem Laken und einem Stück Seife zurück.
»Du musst dich waschen, hat die Herrin gesagt.«
Marie wollte warten, bis die beiden wieder gegangen waren. Aber sie blieben stehen und starrten sie auffordernd an. Marie zuckte mit den Achseln und streifte das Kleid über den Kopf. Was machte es schon, wenn die Mägde sie nackt sahen? Das war sie von zu Hause gewöhnt. Aber in den letzten Jahren hatte sie immer darauf geachtet, sich in der ersten Morgendämmerung zu waschen, wenn ihr noch niemand zusah, und vor ihren Freiern hatte sie sich nur ausgezogen, wenn sie dafür extra zahlten.
Die Mägde ließen sich keine von Maries Bewegungen entgehen, so als müssten sie kontrollieren, ob sie sich auch gründlich säuberte.
Die Jüngere lächelte verklärt. »Du bist schön wie ein Engel. Komm, ich helfe dir, deine Haare zu waschen.«
Als sie Maries Zopf löste, entdeckte sie die feinen weißen Narben auf ihrem Rücken und stieß erschrocken die Luft aus den Lungen.
»Man hat dich aber arg geschlagen.« In ihrer Stimme schwang so viel Abscheu, als hätte man eine Heilige beschmutzt.
Marie lachte hell auf, wurde aber sofort wieder ernst. »Man hat mich an den Schandpfahl gebunden und ausgepeitscht. Wenn mich nicht ein braver Apotheker mit Salben und Tinkturen behandelt hätte, würde mein Rücken heute der Borke einer Föhre gleichen.«
»Dafür bist du dem freundlichen Herrn sicher sehr dankbar.«
»O ja, das bin ich.« Marie lächelte vor sich hin. Jedes Mal, wenn sie zum Markt nach Merzlingen kam, nahm auch sie den Apotheker mit in ihr Zelt. Er genoss es, blieb Hiltrud aber dennoch herzlich zugetan. Sie schüttelte den Gedanken rasch wieder ab und konzentrierte sich auf die Gegenwart, denn gerade betrat Guda das Zimmer. Die Beschließerin rümpfte die Nase, als sie die beiden Mägde herumstehen sah.
»Bewegt euch, ihr faulen Weibsbilder. Die Herrin hat befohlen, die Hübschlerin in die Schlafkammer des Herrn zu bringen.«
Die Mägde wickelten Marie in das bereitliegende Laken und schoben sie Richtung Tür. Guda hielt sie jedoch auf und zog ein winziges Fläschchen aus der Tasche. Als sie es öffnete, duftete das ganze Zimmer nach Rosen. Sie verrieb einen Tropfen hinter Maries Ohr und verschloss das Gefäß dann sorgfältig.
»Das ist das Parfüm der Herrin. Sie will, dass du genauso riechst wie sie, wenn sie dich dem Herrn zuführt«, erklärte die Beschließerin und drängte nun ihrerseits Marie zur Tür hinaus.
Marie erinnerte sich an die Salböle und Spezereien, mit denen ihr Vater ebenfalls gehandelt hatte. Manchmal hatte er eines der Gefäße geöffnet und sie daran riechen lassen. Dann pflegte er zu sagen, er würde ihr später, wenn sie erwachsen wäre, die schönsten Düfte kaufen. Nun erlebte sie zum ersten Mal, wie sich Rosenöl auf der Haut anfühlte, aber es machte ihr keine Freude, denn es war nur ein Teil des Geschäfts. Sie hatte den Ansprüchen Ritter Dietmars zu genügen. Oder waren es eher die Ansprüche der Herrin? Der Gedanke amüsierte sie.
Das Schlafzimmer des Herrn befand sich am anderen Ende des Korridors. Als Marie hineingeführt wurde, standen Dietmar von Arnstein und seine Gemahlin mitten in einem Raum, der ähnlich eingerichtet und nur wenig größer war als der, den man ihr und Hiltrud zugewiesen hatte. Nur waren die Teppiche hier kunstvoller, und an den Wänden standen mehrere große, bemalte Truhen, die wohl die Kleidung des Paares bargen. In einer Ecke stapelten sich einige der Waren, die Frau Mechthild auf dem Markt erstanden hatte. Wie es aussah, hatte die Dame bislang noch nicht die Zeit gefunden, zu entscheiden, was mit den Sachen geschehen sollte. Marie wunderte es nicht, denn Mechthild von Arnstein schien ständig damit beschäftigt, ihren missgelaunten Gemahl zu umsorgen und zu beruhigen.
Er drehte Guda und Marie den Rücken zu und blaffte seine Frau an. »Verdammt, Mechthild. Ich brauche deine Hure nicht!«
Seine Gemahlin strich ihm über das
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