Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
nicht einmal der Hauch eines Schattens drauffallen. Und außerdem: Selbst wenn der Herr Reimar sich vielleicht noch für unsere Sache gewinnen ließe, der Herr Wirtho niemals. Er will meinen Matthias lieber tot als frei sehen.«
»Jetzt übertreibst du aber schon ein bisschen, Annelies.«
Einen Augenblick sah es so aus, als wollte die Zofe ihrer Herrin widersprechen, doch dann biss sie sich auf die Lippen und meinte lediglich: »Wenn der Herr DeCapella mir wirklich etwas Gutes tun möchte, dann zahlt er mich aus.«
»Und dann? Was willst du dann tun?«
»Wir möchten als freie Menschen miteinander leben, die selbst bestimmen können, wie sie ihr Leben führen, genau wie meine Eltern, bevor mein Vater starb.«
Hektisch sah sich Arigund um. Dieses Gespräch nahm eine gefährliche Wendung. »Matthias soll weglaufen?«, raunte Arigund. »Und dann? Wie stellst du dir das danach vor?«
»Matthias muss nur ein Jahr und einen Tag in der Stadt bleiben. Dann wäre er frei.«
Arigund runzelte die Stirn: So etwas hatte sie sich schon fast gedacht. »Und wovon wollt ihr leben?«, wandte sie ein. »Das Geld meines Vaters wird nicht ewig reichen.«
»Wenn wir sparsam sind, könnten wir es schaffen.«
Arigund nickte. »Vorausgesetzt, man erwischt euch nicht vorher. Dann könnte es schlimm werden, viel schlimmer, als es jetzt ist.«
»Wir würden nicht Regensburg wählen.«
»Und wann wollt ihr fliehen?«
Annelies schielte verlegen. »Nun, das hängt ja nicht von mir ab, sondern von Eurem Vater. Er bestimmt, wann ich ausgedient habe. Ich hoffe und bete, er wartet nicht zu lange. Die Zeit drängt. Schon zwei Mal wäre es dem Herrn Wirtho beinahe gelungen, Matthias das Leben zu nehmen. Eine dritte Gelegenheit wird er sich nicht entgehen lassen.«
»Trotzdem, Annelies, euer Vorhaben ist und bleibt gefährlich. Warum vertraust du nicht meinem Vater? Er kann viel ausrichten.«
Die Miene der Zofe verschloss sich wieder. »Lasst uns abwarten, Herrin.«
»In jedem Fall danke ich Euch und natürlich auch Eurem Vater von Herzen. Nun aber sollten wir besser davon schweigen. Ich glaube, die anderen edlen Damen draußen zu hören.«
Auch Arigund vernahm jetzt das aufgeregte Schnattern der Schwestern. Im nächsten Moment schlugen sie die Stoffbahn, die den Eingang bildete, zurück und traten ein. Annelies übersahen sie einfach und wandten sich gleich an Arigund: »Warum bist du nicht bis zur Auslosung der Paare für morgen geblieben? Magst du nicht wissen, mit wem es unser lieber Wirtho morgen aufnehmen muss?«
Artig nickte die Kaufmannstochter. Es war ihr zwar eigentlich egal, aber die Schwestern würden sowieso keine Ruhe geben, bis sie es ihr hatten sagen können.
»Bruno Hofer von Lobenstein«, rückte Eustancia mit dem Namen heraus. »Der ist ein wüster Kämpfer, das sag ich dir. Sein heutiger Gegner ist nicht wieder aufgestanden.«
»Magst du wieder wetten, Arigund?«, fragte Magdalena scheinheilig. »Auf Wirtho?«
Die schüttelte den Kopf. »Nein, danke, so viele Fibeln habe ich auch nicht.«
Magdalena machte ein enttäuschtes Gesicht und versuchte sie noch einmal aus der Reserve zu locken: »Traust du unserem Herrn Wirtho den Sieg nicht zu?«
Arigund ließ sich nicht so leicht aufs Glatteis locken. »Mir war die Aufregung beim letzten Mal genug.«
Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ das Zelt. Schließlich gab es noch jemanden, dem eine gute Nachricht zu überbringen war.
*
Kunigund von Brennberg starrte mit ernstem Gesicht durch das offene Fenster. Sie seufzte. Die Brautwerbung und natürlich auch die Ausrichtung des Turniers hatte so unendlich viel Geld verschlungen. Und jetzt schien alles umsonst gewesen zu sein. Das Preisgeld für den Turniersieg hätte sie eine Weile über Wasser gehalten, aber so wie es aussah, würde es wohl an den Ortenburger gehen, ebenso wie Berta. Die finanzielle Situation der Brennberger verschlechterte sich damit dramatisch. Längst war der Erlös aus der Wolle ihrer Schafe aufgezehrt. Der Truchsess hatte zwar eine Sonderabgabe für das Turnier erhoben, doch auch dieses Geld war ausgegeben. Was sollte werden, wenn der Bischof demnächst seine Steuern einfordern würde? Wovon sollten sie dann Vorräte für den Winter kaufen? Die Lage war aussichtsloser denn je. Zum Glück hatte sich Arigunds Vater ungemein großzügig gezeigt und Reimar dieses prächtige Schwert geschenkt. Seine Tochter erwies sich sowieso als Glückstreffer. Sie war ein zupackendes Mädchen und verstand
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