Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Vater entgegen. Sie erntete erstaunte Blicke der Umherstehenden, als sie dem gut gekleideten Kaufmann ohne Weiteres um den Hals fiel. Gutmütig ließ es der über sich ergehen, schien es sogar ein wenig zu genießen. Doch dann schob er sie mit den Worten »Nun lass dich erst einmal ansehen, mia cara« von sich und blickte sie ernst an.
»Noch immer so schmal? Gibt man dir nicht genug zu essen auf dieser Burg?«
»Ach Vater, ich …« Arigund unterbrach sich. Was tat sie da eigentlich? War es nicht dieser Mann gewesen, der sie einfach von zu Hause verstoßen hatte? Sie schluckte schwer und senkte die Augen. »Man behandelt mich gut auf dieser Burg«, antwortete sie.
»Du musst mir alles erzählen. Lass uns einen Platz finden, wo wir uns ungestört bei einem Glas Wein unterhalten können.«
Sie fanden ein Zelt, in dem eine Art Schenke untergebracht war. Beim Anblick der vornehmen Herrschaften brachte der Wirt sofort zwei hölzerne Schemel, auf denen die beiden Platz nehmen konnten. Dann kam er mit einer Karaffe und zwei Bechern.
»Wie ist es dir bislang auf der Burg ergangen?«, wollte DeCapella wissen. Zögerlich zunächst, berichtete Arigund von ihrem Alltag auf der Burg, von ihrer Arbeit für die Burgherrin und, etwas ironisch, auch von den langweiligen Handarbeitsstunden im Frauenzimmer. Auch Annelies’ Liebelei mit Matthias ließ sie nicht aus, unterschlug jedoch, dass dieser mittlerweile nur noch Pferdehirt war. Schließlich sprudelten ihre Erlebnisse nur noch so aus ihr heraus, der Brand, die Vorbereitungen für das Turnier und der Ritt durch das Höllbachtal. Ein bisschen war es wie in früheren Zeiten, damals, als sie oft beieinander gesessen und den Tag besprochen hatten.
»Du scheinst mir alle Schwierigkeiten, die sich dir in den Weg stellen, hervorragend zu meistern«, lobte der Herr DeCapella. Er tätschelte ihre Hand. »Ganz meine Tochter.«
»Und wie geht es Katharina?«, zwang sich das Mädchen, sich höflich zu erkundigen.
Ihr Vater zeigte mit der Hand einen immensen Bauch an und grinste verlegen.
»Ich hoffe, es wird ein Junge«, meinte er.
Arigund drückte sanft seine Hand und sah ihn fest an. »Das wünsche ich dir, Vater. Es tut mir leid, dass ich so …, so garstig zu dir war.«
»Ist schon gut, Liebes. Doch lass mich dich etwas anderes fragen: Könntest du dir vorstellen, eventuell länger auf der Burg zu bleiben?«
»Was meinst du damit? Bis zum Herbst sind es noch zwei Monate.«
»Ich meinte, gefällt es dir auf der Burg so gut, dass du dort leben könntest?«
»Ich verstehe noch immer nicht?«
»Könntest du dir vorstellen, als eine von Brennberg auf der Burg zu leben?«, konkretisierte ihr Vater.
Arigund schwieg. Dann stimmte es also. Ihr Vater hatte sie von vornherein mit der Absicht nach Brennberg geschickt, sie zu verheiraten. Sie zögerte. Enttäuschung und Aufregung mischten sich. Sie wog die Dinge gegeneinander ab. Nun, wenn es ihr Schicksal war, mit Reimar die Ehe einzugehen, so würde sie das von Herzen gerne tun.
Vorsichtig nickte sie. »Ja, vorstellen, könnte ich es mir, und Frau Kunigund ist mir, glaube ich, gewogen, aber der Truchsess? Wird er eine Bürgerliche als Schwiegertochter akzeptieren?«
»Das lass nur meine Sache sein, Kind. Der Truchsess schuldet mir … einen Gefallen.«
»Du meinst Geld«, ergänzte das Mädchen nüchtern.
»Geld«, gab der Kaufmann zu, »viel Geld. Im Grunde gehörte mir seine Burg bereits, wenn sie nicht bischöfliches Lehen wäre. Da könnte ich ihm das Schlagrecht verschaffen, das er schon so lange haben möchte. Nur, ich wollte nichts tun, ohne dich vorher gefragt zu haben.«
Erneut nickte Arigund. »Nun gut, wollen wir sehen, aber eine Bitte hätte ich noch.«
Die Augen des Kaufmanns strahlten vor Glück. Er war mehr als zufrieden. »Ich würde mir so sehr wünschen, dass auch Annelies ihr Glück mit Matthias findet, als freie Menschen, versteht du? Glaubst du, du könntest den Jungen freikaufen?«
DeCapella strich sich mit dem Zeigefinger über den Bart. »Eigentlich hatte ich mit Annelies anderes im Sinn, doch wenn sie sich so sehr die Ehe mit diesem Jungen wünscht, kann ich gerne sehen, was sich machen lässt. Aber wird er das Mädchen auch ernähren können?«
»Matthias kann vorzüglich mit Pferden umgehen. Wenn du ihm eine Anstellung geben würdest, könnte seine Familie ohne Weiteres satt werden.«
»Einen guten Kutscher kann ich immer brauchen«, meinte der Patrizier schließlich. »Allerdings wäre er dann
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