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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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Falkensteiner schwankte bedenklich im Sattel, verlor sogar die zerstörte Lanze. Arigund und die beiden Mädchen hielten den Atem an. Die Kaufmannstochter spähte hinüber zu Berta. Auch die hatte Wirtho ihre ganze Aufmerksamkeit gewidmet. Tatsächlich hatte sie den Mund zu einem Jubelschrei geöffnet. So ganz egal schien es ihr dann doch nicht zu sein, wie der Brennberger beim Tjost abschnitt. Doch dem war ein schneller Sieg nicht vergönnt. Der Falkensteiner hielt sich im Sattel.
    »Nicht schlecht«, stellte Magdalena fest.
    »Und jetzt?«, wollte Arigund wissen.
    »Jetzt geht es weiter. Aber erst vergeben die Herolde die Punkte. Eine zerbrochene Lanze zählt eine ›Lanze‹, der Treffer am Helm zwei, der am Schild eine. Damit jeder weiß, wie er steht, steckt der Herold für jede erworbene ›Lanze‹ ein Fähnchen in die Holzleiste dort drüben.«
    »Wirtho ist also im Rückstand?«
    »Ich schätze, er ist darauf aus, seinen Gegner vom Pferd zu stoßen. Dann hat er den Kampf für sich entschieden. Das versucht er immer, und beinahe wäre es ihm jetzt auch schon geglückt.«
    »Aber eben nur beinahe«, fasste Arigund zusammen, »und jetzt ist sein Gegner gewarnt. Was passiert, wenn keiner den anderen zu Fall bringt?«
    »Es werden sechs Waffengänge geritten. Wenn es keinem gelingt, den Kampf klar für sich zu entscheiden, ist der mit der höheren ›Lanzenzahl‹ Sieger. Doch sieh nur, es geht weiter.«
    Neben Wirtho und dem von Falkenstein gab es noch ein weiteres Reiterpaar im zweiten Waffengang. Erneut stürmten die Pferde los. Diesmal gelang es Wirthos Gegner weit besser, sein Pferd in der Linie zu halten. Doch die gewaltige Masse des Braunen schüchterte das Tier ein. Es machte bei Weitem nicht genug Tempo, und obwohl der Falkensteiner wusste, was auf ihn zukam, erhielt er einen gewaltigen Treffer. Sein Schild prallte zurück und versetzte dem Ritter einen heftigen Schlag, ohne dass er selbst hätte ausgleichen können. Wirtho beugte sich im letzten Moment höchst unritterlich ein klein wenig zur Seite. Kein Treffer für den von Falkenstein, zwei Lanzen für den jungen Brennberger, aber noch immer beide Reiter im Sattel. Aller Augen ruhten nun auf diesem Paar. Ein dritter Waffengang wurde von den Herolden angekündigt. Der Junge von Falkenstein wirkte fest entschlossen, sich nicht noch einmal hinters Licht führen zu lassen. Beherzt legte er erneut die Lanze ein. Doch auch Wirtho schien inzwischen von jeglichem Hochmut kuriert. Sein mittlerweile schweißnasser Brauner stampfte zornig mit dem Vorderbein auf, als wollte er seinem Reiter sagen, dass er nun endlich diese Sache zu Ende bringen sollte. Seine Hufe rissen den Grasboden auf, und noch energischer als zuvor hielt er genau auf den Gegner zu. Wirtho riskierte alles, beugte sich leicht vor und zielte auf das Schulterblatt des anderen Reiters, wobei er seine Deckung aufgeben musste. Prompt wurde er auf Höhe der Hüften getroffen, doch den Falkensteiner hielt es diesmal nicht mehr im Sattel. Wirtho stieß einen Siegesschrei aus und riss seinen Schild hoch. Donnernder Applaus erschallte. Berta hielt es nicht mehr auf ihrem Stuhl. Mit roten Wangen applaudierte sie, was das Zeug hielt, bis sie von ihrer Mutter diskret zurück auf ihren Sitzplatz gezogen wurde. Selbst Arigund spendete Beifall. Mochte Wirtho auch ein Kotzbrocken sein, mit Lanze und Pferd konnte er umgehen wie kaum ein anderer junger Ritter.
    Die nächsten Streiter waren an der Reihe, unter ihnen auch der Graf von Ortenburg. Er ritt einen Percheron, einen mächtigen, in Frankreich gezogenen Schimmel, der für den Tjost wie gemacht schien. Ortenburg ritt in die Schranken und bekam viel Applaus. Sein Gegner griff nach der Lanze und nahm ebenfalls seinen Platz ein. Die Fahnen wurden gesenkt, und die Pferde galoppierten los. Krachend fuhr die Lanze des Grafens in seinen Gegner und holte ihn schon beim ersten Waffengang aus dem Sattel. Magdalena gab Arigund einen Knuff, und ihre Augen sagten: »Siehst du!«
    Die Kaufmannstochter sah tatsächlich etwas, doch das hatte nichts mit dem Turnier zu tun. In der jubelnden Menge hatte sie einen Haarschopf entdeckt, der ihr sehr bekannt vorkam. Die zweite Überraschung ihres Vaters war – er selbst. Herr DeCapella war gekommen, um seine Tochter zu besuchen. Aufgeregt begann das Mädchen zu winken. Freudestrahlend hob auch er die Hand. Ohne ein weiteres Wort drängte sich Arigund zwischen den anderen Damen hindurch, stürmte die Treppe hinunter und flog ihrem

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