Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
jedenfalls schien sich alles zum Guten zu wenden. Arigund würde freudig und aus freien Stücken nach Eichstätt gehen, als Braut Christi, so wie es das Schicksal für sie bestimmt hatte. Fröhlich brummend zog sich der Burgkaplan eine frisch gewaschene Soutane über, als es leise klopfte. Eilig strich sich der Pater das Gewand glatt und öffnete. Frau Kunigund lächelte ihn an und bat um Einlass.
»Verzeiht, Pater, dass ich jetzt noch störe, doch ich hätte noch ein paar Dinge mit Euch zu besprechen.«
Ohne auf seine Erlaubnis zu warten, trat die Burgherrin ein, gefolgt von einer Magd mit einem Krug Wein und zwei Bechern. Wortlos stellte diese beides auf das kleine Tischlein und schenkte ein. Dem Kaplan lief das Wasser im Mund zusammen: Goldgelber Würzwein mit herrlichem Aroma. Mit freundlichem Augenzwinkern reichte ihm Kunigund von Brennberg einen Becher und prostete ihm zu. Gierig sog der Priester den Duft des Weines ein. Es roch nach Nelken, vielleicht sogar nach einem Hauch von Zimt. Der Wein rann süß über seinen Gaumen, als er sich daran gütlich tat. Ach, Hochzeiten waren doch etwas Beglückendes, vor allem, wenn die Braut den Herrn Jesus Christus zu ihrem Bräutigam erkoren hatte. Pater Anselm leerte siegesgewiss den Becher.
»Nun, Frau Kunigund, was führt Euch zu mir?«, fragte er die Burgherrin.
»Es geht um die bevorstehende Hochzeit, Pater Anselm. Mir ist da etwas zu Ohren gekommen …«
Ihre Worte hallten, entglitten ihm, verschwammen. Mitten im Satz war dem Burgkaplan plötzlich wunderlich geworden. »Diese Hexe!«, hatte er noch gedacht, dann waren ihm die Sinne entschwunden.
Nun befand er sich in diesem scheußlichen Raum, umgeben von dicken Wänden. Er hatte den Verdacht, dass es sich um das Verlies handelte, denn es roch faulig und scharf, nach Urin und Rattenkot. Was für ein Frevel! Ihn, einen Mann Gottes, in den Turm werfen zu lassen! Er hatte gerufen und gepoltert, aber niemand schien ihn zu hören. Von draußen drangen dumpf die Laute der Hochzeitsgesellschaft zu ihm herüber. Er konnte also nicht lange ohne Bewusstsein gewesen sein. Wieder brüllte er los, noch lauter als vorher. Diesmal vernahm er ein Poltern und Knarren, wie wenn jemand einen Schlüssel im Schloss drehte. Ein scharfer Lichtstrahl traf seine Augen. Pater Anselm schirmte seine Augen ab.
»Hallo?«, rief eine Stimme von oben. »Ist da jemand?«
»Ja, ich, Pater Anselm.«
»Was macht Ihr denn da unten? Wüsst nicht, dass dort einer wär, der Beistand bräuchte.«
Wild fuchtelte der Pater mit den Armen. Dieser Dummkopf verschwendete wertvolle Zeit. »Hol mich rauf!«, brüllte der Burgkaplan. »Mach schon!«
Behäbige Schritte schlurften über seinem Kopf dahin. Quälend langsam senkte sich der Sitzknüppel zu ihm herab, und noch viel länger dauerte es, bis er das Angstloch erreicht hatte. Hektisch sprang der Pater auf festen Untergrund und eilte zur Tür.
»Vergelt’s Gott!«, rief er über die Schulter. Vielleicht war es ja noch nicht zu spät. Vom Turm aus konnte er es nicht sehen. Seine Füße suchten die Sprossen der Leiter, rutschten ab. Sein Ärmel verhakte sich an einem vorstehenden Ästchen und hielt ihn fest. Ärgerlich befreite er sich, wobei der Ärmel zerriss. Endlich hatte er festen Boden unter den Füßen. Jetzt zur Burgkapelle, rasch! Er spornte sich selbst zu Höchstleistungen an, verlor dabei eine Sandale, musste zurück, sie holen und verwünschte seine Ungeschicklichkeit. Endlich kam die Kapelle in Sicht. Zahllose Menschen versperrten ihm den Weg. Er schubste sie ungeduldig zur Seite, drängte sich durch. Arigund stand an der Seite ihres Vaters. Suchend sah sie sich um. Sie hatte sich auf ihn verlassen, und er, er hatte sich so leicht übertölpeln lassen.
»Ich bin ja da, mein Kind!«, wollte der Priester rufen, aber niemand hörte ihn mehr. Ein Jubelschrei ging durch die Menge. Reimar von Brennberg, Truchsess von bischöflichen Gnaden, hatte den Ehevertrag unterzeichnet. Hilflos musste der Pater zusehen, wie Wirtho von Brennberg seine Gattin in die Kirche führte, damit die Ehe dort von Abt David gesegnet wurde. Pater Anselm stieß einen Schrei der Verzweiflung aus.
*
Arigund kam sich vor, als befände sie sich in einem schlechten Traum. Sie nahm den strahlenden Frühlingstag kaum wahr, der sein Bestes tat, der Hochzeit einen würdevollen Rahmen zu geben. Ihr Herz klopfte wie wild. Ihre Beine schienen einen eigenen Willen zu entwickeln. Wo war nur Pater Anselm? All ihre Hoffnungen
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