Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
wirtschaften konnte. Sie war beim Gesinde angesehen, fast sogar beliebt, sie war gebildet – sie konnte weit besser lesen und schreiben als Wirtho – und mutig. Zudem brachte sie eine Menge Geld mit in die Ehe. Wenn man über den Makel des Standes hinwegsah, würde sie als Burgherrin eine weit bessere Figur abgeben als Berta. Da war nur noch diese unglückselige Schwärmerei für Reimar. Kunigund war klar, dass es dem Jungen das Herz brechen würde, müsste er mitansehen, wie seine große Liebe die Ehe mit dem großen Bruder einging. Deshalb war sie zu der Einsicht gelangt, dass Reimar Burg Brennberg verlassen musste, um als Minneritter sein Glück zu suchen. Nach einer Weile würde sich sein Liebeskummer schon legen. Als der Hochzeitstermin schließlich näher rückte, befand sich ihr Jüngster bereits auf Wanderschaft.
Kummer bereitete der Burgherrin aber immer noch Wirtho. Ihr Ältester machte keinerlei Anstalten, sich in sein Schicksal zu fügen. Weder hatte er seine Niederlage auf dem Turnierplatz verkraftet, noch wollte er »diese Krämerstochter« zur Frau. Vielmehr beabsichtigte er, auf »seine Berta« zu warten, selbst »wenn er alt und grau dabei werden sollte«. Es halfen weder Drohungen noch Bitten, weder Vernunftappelle noch Bestechungsversuche.
Erst als eine schreckliche Nachricht die Burg erreichte, änderte sich alles. Ein Troubadour, der zufällig an der Burg vorbeigekommen war und um Quartier bat, wusste zu berichten, dass die Reisegesellschaft des Grafen zu Ortenburg kurz vor ihrer Ankunft in Murach von dessen Bruder überfallen worden war. Zwar habe sich der Graf auf seine Burg retten können, ein großer Teil seines Gefolges und seine Verlobte seien jedoch von den Angreifern niedergemetzelt worden.
Kunigund war erschüttert. Zwar hatte sie die Wechselhaftigkeit der Eckmühlerin verärgert, doch dieses Schicksal hatte sie Berta gewiss nicht gewünscht. Wirtho hatte sich in seiner Kemenate eingeschlossen und bitterlich geweint. Das Bewusstsein, Berta für immer verloren zu haben, war ein schwerer Schlag für ihn. Andererseits gab es nun keinen Grund mehr, die Vermählung mit Arigund abzulehnen. In seiner Trauer nahm der Burgerbe die Hochzeitsvorbereitung hin. Alles schien sich doch noch zum Guten zu wenden.
Nachdem Arigund verkündet hatte, dass sie die Nacht vor der Hochzeit in der Kapelle verbringen wolle – ein durchaus nicht ungewöhnlicher Wunsch –, beschloss Frau Kunigund, ihrer zukünftigen Schwiegertochter Beistand zu leisten. Ihre Schritte fanden, sobald sie sich aus der großen Halle verabschiedet hatte, den Weg hinunter ins Gotteshaus. Erstaunt stellte sie fest, dass Arigund nicht allein war. Pater Anselm kniete an ihrer Seite und redete wie eine aufgeregte Amsel auf sie ein. Frau Kunigund verhielt ihre Schritte und lauschte. Kein Zweifel, dieser intrigante Priester versuchte, Arigund davon zu überzeugen, dass sie die morgige Hochzeit abblasen und lieber ins Kloster gehen sollte. Was für eine Blamage wäre das für das Haus Brennberg! Die zweite Braut, die Wirtho abwies. Das ganze Herzogtum würde über ihn lachen. Empört wollte sie den Kaplan zur Rede stellen, doch dann kam ihr eine bessere Idee. Dieser Priester würde ihre Pläne nicht durchkreuzen. Auf leisen Sohlen schlich sie davon.
*
Es war ihr Vater, der Arigund am nächsten Morgen in der Kapelle abholte. Er war für die Festlichkeit bereits fertig gekleidet und begleitete seine Tochter noch einmal in die Kemenate, in der ihr das Hochzeitsgewand angelegt wurde. Unruhig klopfte der Kaufmann mit den Fingern auf das Tischlein aus eingelegtem Mahagoni, während die Zofe Arigunds Haar ordnete und den Schleier feststeckte.
»Du bist die schönste Braut, die diese Burg je gesehen hat«, schmeichelte der Kaufmann und lamentierte: »Ich wünschte, der Truchsess hätte sich überzeugen lassen, die Hochzeit in Regensburg abzuhalten. Jeder von Rang und Namen wäre zur Feier gekommen. Aber eine derart lange Reise schreckte eben doch viele ab.«
Da seine Tochter schwieg, setzte er die Unterhaltung alleine fort. »Jetzt läuten halt doch nicht die Glocken des Doms für dich, mia Cara, doch wenigstens ist Pater David da, den Segen des Herrn für euch zu erbitten.«
»Pater David, ja«, wiederholte Arigund ohne Begeisterung.
»Ach warte nur, Liebes, wenn du erst meinen Enkel im Arm hältst, wirst du vor Glück strahlen. Achte darauf, dass es ein Junge wird. Gesunde, kräftige Söhne sind wichtig für den Adel. Vielleicht könntet
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