Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
ihr den Zweitgeborenen nach mir benennen, ein kleiner Antonio wäre wunderbar. Der Erste muss natürlich Wirtho oder Reimar heißen, das verstehe ich.«
Die Zofe war mit ihrer Arbeit fertig und trat einen Schritt zurück. Etwas geckenhaft reichte Antonio DeCapella seiner Tochter die Hand und verbeugte sich vor ihr. »Oh Madonna, was für eine stattliche Braut. Du erinnerst mich so sehr an deine Mutter, nur hat sie bei der Hochzeit gelächelt.«
»Sie hat ja auch einen Mann nach ihrem Geschmack geheiratet, ich dagegen werde einem Drachen zum Fraß vorgeworfen.«
Der Kaufmann schnaufte erbost. »Also, Arigund, bitte nicht vor dem Gesinde.«
Das Mädchen lachte rau und meinte gleichmütig: »Glaubst du, die kennen ihre Herrschaft nicht?«
Die Zofe verabschiedete sich hastig. Besorgt musterte DeCapella seine Tochter, doch der Schleier verbarg Arigunds Miene. »Du wirst doch keine Schande über mich bringen, Kind?«, fragte er vorsichtig.
»Hab keine Angst, du wirst dein Gesicht wahren.«
Erleichtert nahm der Kaufmann ihren Arm. »Ich wusste doch, dass ich mich auf dich verlassen kann, mia Cara.«
Er klopfte an seine Seite, wo sich eine lederne Umhängetasche befand. Arigund wusste, was darin war: ihr Ehevertrag. »Du brauchst dir auch keine Sorgen zu machen«, versicherte er. »Ich habe alles zu deinem Besten geregelt, und sollte dein Gatte auch nur ein einziges Mal gemein zu dir sein, dann lass es mich wissen.«
»Wir sollten gehen«, meinte Arigund lediglich. Würdevoll schritt sie an seiner Seite zur Burgkapelle, wo die Trauzeremonie stattfinden sollte. Antonio DeCapellas Herz klopfte. Er stand kurz vor dem Höhepunkt seines Lebens. Seit die Hebamme ihn den ersten Blick auf das Kindchen hatte werfen lassen, reifte sein Plan, es in ein Adelshaus zu vermählen. Sie sollte es einmal gut haben in ihrem Leben, und was konnte besser sein als die Stellung einer Adelsfreien auf einem Lehen. Sie würde vor niemandem den Nacken beugen als vor Gott und dem Herzog. Keiner würde ihr Befehle erteilen, sondern jeder würde auf den Wink ihrer Hand hin eilen, ihr zu Diensten zu sein. Jahrelang hatte er auf eine Gelegenheit gewartet, diesen Traum zu verwirklichen, dann hatte sich die Chance mit Burg Brennberg geboten. Als Pater David dem Kaufmann schließlich berichtete, dass die Berta Eckmühl auf dem besten Wege sei, seine Absichten zu durchkreuzen, hatte er das Hindernis auf untadelige Weise beiseitegeräumt. Niemand konnte ahnen, dass sie in dem Bruderzwist derer von Ortenburg ums Leben kommen würde. Der Kaufmann schüttelte den Kopf. Nein, dafür konnte er nichts. Auch hatte er den Eindruck gehabt, sie sei frohen Herzens mit dem Grafen gegangen.
Ein Rätsel blieb ihm Arigund. DeCapella konnte nicht verstehen, weshalb sein Mädchen solch einen Narren an diesem Reimar gefressen hatte. Man brauchte doch nur hinzusehen, um zu erkennen, dass er ein Weichling war, ein Schöngeist, der es im Leben nie zu etwas bringen, sondern immer im Schatten seines Bruders stehen würde. Eines Tages würde Arigund ihm dankbar dafür sein, dass er ihrer Narretei nicht nachgegeben hatte. Liebevoll sah er zu ihr hinüber. Sie war sein Augenstern und würde es immer bleiben. Er würde über sie wachen, auch wenn er jetzt die Verantwortung an einen anderen abgab. Das Mädchen erwiderte seinen Blick nicht. Es hatte den Kopf abgewandt und schien nach jemandem Ausschau zu halten. Immer noch der jüngere Bruder? Arigrund musste doch wissen, dass der die Burg längst verlassen hatte. Ihre Schritte wurden langsamer, ihr Blick hektisch. Beinahe stürzte sie an der Stufe zum Portal der Kirche, doch Antonio DeCapella hielt seine Tochter mit festem Griff. Hand in Hand nahmen sie Aufstellung. Die formelle Trauzeremonie begann.
*
Pater Anselm hämmerte mit bloßen Händen gegen die Mauern. Er hatte nur eine vage Vorstellung, wie er in dieses Loch geraten war. Er erinnerte sich gut, dass er Arigund nur widerwillig ihrem Vater überlassen hatte. Dennoch war er danach in euphorisierter Stimmung in seine Kemenate zurückgeeilt, um sich für die Zeremonie umzuziehen. Gott der Herr, so schien es Pater Anselm, hatte gesiegt – sein Plan war aufgegangen. Er hatte das Mädchen richtig eingeschätzt, im Gegensatz zu ihrem Vater, dieser Krämerseele. Mit seinem Beharren auf der Hochzeit mit Wirtho hatte er Arigund auf den Pfad der Tugend zurückgetrieben. Dabei hatte Pater Anselm schon alles verloren geglaubt. Die Wege des Herrn waren eben unergründlich. Jetzt
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