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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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groß.«
    »Was erwartet uns da drin, Annelies?«, fragte Arigund.
    Die aber presste die Lippen fest aneinander, kramte ein Talglicht aus ihrer Tasche und drückte es Arigund in die Hand. »Seht selbst!«, forderte sie die anderen auf.
    »Es ist an der Zeit, dass du mit der Sprache herausrückst, Annelies«, mahnte Reimar. »Ich kann es nicht verantworten, dass Frau Arigund in diesen Höllenschlund steigt. Das ist viel zu gefährlich.«
    »Du willst uns doch nicht aus bloßem Mutwillen heraus in den Bauch der Erde locken?«, meinte Arigund mit zittriger Stimme.
    Die Zofe bückte sich lediglich und schob sich mit den Füßen voran durch die Öffnung.
    »Also i kimm mit!«, stellte Resl fest. Steif machte sie es Annelies nach.
    Arigund sah zu Reimar hoch. Sie hielt immer noch das Licht umklammert.
    »Ich habe einen Feuerstein dabei«, sagte Reimar. »Bevor wir nicht wenigstens Licht haben, betreten wir diesen Tunnel nicht. Die Stimmen der beiden anderen wurden mittlerweile immer mehr vom Felsen verschluckt.
    »Ich fürchte Schlimmes, Reimar«, flüsterte Arigund, während sich der Ritter abmühte. »Diese Geheimniskrämerei ist nicht Annelies’ Art. Sie wirkt ganz verstört.«
    »Ihr könnt hier draußen warten, Arigund«, erklärte Reimar. »Ich würde lieber sterben, als Euch irgendeiner Gefahr aussetzen.«
    »Warum so förmlich?«, platzte es aus der jungen Frau heraus. »Haben wir nicht früher …«
    Der Ritter unterbrach sie: »Das war in einem anderen Leben. Jetzt seid Ihr die Frau meines Bruders und tragt sein Kind unter Eurem Herzen.«
    Er hatte es also bemerkt. Arigund fasste sich unwillkürlich an den Bauch. Nun, wie hätte es ihm auch entgehen können?
    »Man hat mich nicht nach meinem Willen gefragt«, sagte Arigund leise und ließ sich auf das Gras sinken.
    »Ach, wirklich nicht?«, entgegnete Reimar bloß. Endlich war es ihm gelungen, das Talglicht zu entflammen. »Ich gehe voran«, meinte er dann versöhnlicher. »Ihr könnt selbst entscheiden, wie Ihr es halten wollt, aber kommt lieber mit, damit ich Euch in meiner Nähe weiß.«
    Geschmeidig glitt er durch die Öffnung, vorsichtig darauf achtend, dass das Licht nicht erlosch. Arigund zögerte. Sie hatte entsetzliche Angst, in diesen Tunnel zu steigen, aber alleine hier draußen zu bleiben war ihr ebenfalls nicht geheuer. Entschlossen ließ sie die Füße in die Öffnung baumeln. Weit ging es nicht herunter. Der Tunnel machte gleich am Anfang einen Knick, sodass man rückwärts auf allen vieren weiterkriechen musste. Dann erweiterte sich das Loch. Ein kleiner Mensch wie sie konnte aufrecht stehen. Reimar dagegen war gezwungen, sich gebückt zu bewegen. Der Tunnel war ab hier behauen, um das Durchkommen zu erleichtern. Doch rechts und links zweigten kleinere spaltförmige Öffnungen ab, die durch die Kräfte der Natur entstanden waren. Loses Gestein hatte sich am Boden angesammelt, Risse durchzogen Decke und Wände – ein deutliches Zeichen, dass das Gewölbe nicht mehr sicher war.
    Ein herzergreifendes Weinen durchbrach die Stille. Annelies und Resl hatten offensichtlich Luise gefunden.
    »Hier entlang!«, wies Reimar den Weg, »Doch gebt Acht und stürzt nicht!«
    Arigund folgte ihm. Ein Stück ging es geradeaus, dann machte der Tunnel einen Knick und erweiterte sich zu einer kleinen Höhle. Ruckartig blieb Reimar stehen und versperrte Arigund den Blick.
    »Gütiger Herr im Himmel!«, hauchte er und versuchte Arigund die Sicht zu versperren, doch die hatte sich bereits an ihm vorbeigedrängt. Zunächst war es ihr nicht möglich, mehr zu erkennen als ein Knäuel aus Armen und Beinen, davor lag quer Resls Stock. Dann konnte sie Einzelheiten ausmachen. Was sie sah, war ein Kerker. Schwere Ringe aus Eisen waren in die Wand eingelassen. Eine Kette lief hindurch. Es stank bestialisch nach Urin, Exkrementen und verdorbenem Essen. Resl und Annelies hielten gemeinsam Luise, die in ihrem Arm lag wie eine zerbrochene Puppe. Sie hatte keinerlei Kleidung mehr am Leib. Ein paar zerrissene Fetzen lagen verstreut herum. Ihr Körper war furchtbar geschunden, und doch war das Leben nicht aus ihm gewichen. Wer auch immer dem Mädchen das angetan hatte, wusste genau, wie weit er gehen durfte. Mit verquollenen Augen sah die malträtierte Magd nun zu Arigund hin und öffnete den Mund, doch ihre Stimme war zu schwach. Arigund ging einige Schritte auf sie zu und kniete vor ihr nieder, doch erst als sie ihr Ohr ganz dicht an den Kopf des Mädchens hielt, konnte sie die

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