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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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geschmeidigen Satz aus dem Loch, sprang auf die Füße und lauschte in die Nacht hinaus. Wohin konnte das Luder verschwunden sein? Zurück in die Burg? Ins Bett des Hörigen? Sollte sie wirklich so dumm sein zu glauben, der könnte sie vor dem Truchsess beschützen? Wirtho lauschte. Dann hörte er deutlich, wie jemand den schmalen Pfad zur Burg hinaufhastete.
    »Ha, also doch!«, zischte Wirtho fast schon belustigt. »Du wirst mir nicht entgehen, kleines Füllen.«
    Mit riesigen Sätzen sprang er Richtung Bergpfad. Seine Schritte hallten wie Bärentritte in der Nacht. Wenn er sie noch auf dem Pfad erwischte, konnte er sie einfach den Abhang hinunterstürzen. Das würde die wenigsten Fragen aufwerfen. Immer mal wieder lag jemand mit zerschmetterten Gliedern am Grunde der Burg. Er entdeckte eine fliehende Gestalt auf halber Höhe und verdoppelte seine Schritte. Offensichtlich hatte sie jetzt auch ihn entdeckt, denn nun wurde auch sie immer schneller. Wirtho war ein geübter Läufer. Rasch verringerte sich der Abstand, doch auf einmal war die fliehende Gestalt wie vom Erdboden verschluckt. Wirtho lachte rau. Wenn dieses kleine Luder dachte, ihn täuschen zu können, dann war es gewaltig im Irrtum. Es gab nur ein einziges Versteck auf diesem Weg, das Gebüsch gleich neben dem Eingang. Wirtho legte die letzte Wegstrecke langsamer zurück, um seinen Atem zu beruhigen. Einen Moment dachte er darüber nach, die Wachknechte zu rufen, doch dann verwarf er den Gedanken. Es war besser, diese Sache in die eigenen Hände zu nehmen. Tief griff er hinein ins Gestrüpp, berührte überrascht grobes Tuch, zerrte daran und packte grob mit der anderen zu. Mit unglaublicher Genugtuung zog er seine Beute aus dem Gestrüpp, nur um sie gleich erstaunt wieder loszulassen.
    »Pater Anselm, was in Gottes Namen tut Ihr denn hier um diese Zeit?«
    Der Priester trat unsicher von einem Fuß auf den anderen, ohne etwas zu sagen. Wirtho schnupperte wie ein Jagdhund und begann zu lachen. »Mich dünkt, ihr habt einem ganz besonderen Schäfchen geistlichen Beistand geleistet. Was wohl der Fürstbischof dazu sagt, wenn er erfährt, dass Ihr herumhurt?«
    Der Kaplan schwieg hartnäckig. Wirtho dagegen flogen die Gedanken nur so zu, und zuletzt kristallisierte sich ein ganz besonderer heraus.

K APITEL 21
    Von Todesangst getrieben rannte Annelies durch den Wald, bis ihr die Lungen brannten. Irgendwann sackte sie auf einem querliegenden Baum zusammen und japste nach Luft. Das Kind strampelte wild, als müsste es denselben Lauf hinlegen wie seine Mutter. Beruhigend legte die Zofe die Hände auf ihren gewölbten Leib und versuchte es mit leisem Summen. Normalerweise lies sich das Kleine so besänftigen, doch diesmal war es außer Rand und Band. Selbst als sich Annelies’ Herzschlag beruhigt hatte, begehrte es weiter auf. Heiße Tränen rannen der Zofe die Wangen herunter.
    »Was soll jetzt nur aus uns werden?«, flüsterte sie verzweifelt. »Zurück können wir nicht mehr, nicht einmal, um Matthias zu wecken.«
    Aufmerksam horchte die junge Frau in die Dunkelheit, doch nur die gewohnten Geräusche des frühen Morgens drangen an ihr Ohr. Noch schien man nicht nach ihr zu suchen, aber das würde sich bestimmt bald ändern. Hier konnte sie nicht bleiben. Aber wohin gehen? Vorsichtig zog sich Annelies an einem Ast in die Höhe und sah sich um. Sie war gar nicht so weit gelaufen, wie sie gedacht hatte. In jedem Fall nicht weit genug für Wirthos Berittene. Zunächst musste sie die Straße finden. Wenn sie tiefer in den Wald hineinlief, würde sie niemals wieder herausfinden. Sie sah nach oben. Die Sonnenscheibe schickte ihre ersten Strahlen aus. Dort musste Osten sein. Die Straße nach Werth verlief westlich der Burg. Sie musste sich also in die andere Richtung halten. Mit energischen Schritten trat Annelies ihren Weg an. Es war gar nicht so schwer, sich hier draußen zu orientieren. Schon bald tat sich vor ihr die zerfahrene Piste auf, die Burg Brennberg mit dem Rest der Welt verband. Die an- und abfahrenden Besucher hatten deutliche Spuren hinterlassen. Annelies fiel ein, dass vermutlich auch heute viele Trauergäste die Burg verlassen würden, es sei denn, sie beteiligten sich an der Jagd auf eine kleine Zofe. Aber das erschien ihr unwahrscheinlich. Sollte Wirtho ein zu großes Aufheben um das Verschwinden einer Bediensteten machen, würden sich daraus zahlreiche Fragen ergeben. Überhaupt würde sie zu gerne erfahren, was für eine Geschichte sich der junge

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