Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Ritter um die Mägde würfeln?«, flüsterte sie scheinbar entsetzt.
»Hmm«, brummte der Burgkaplan, »das ist mir nur in einem Fall bekannt. Es ist ja auch ein überaus schändliches Verhalten.«
»Dass sich die Ritter Sigurd und Waldemar wenig um Anstand scheren, verwundert mich nicht, aber von Herrn Wirtho hätte ich das nicht erwartet.«
Der Pater sah sie überrascht an: »Woher weißt du, wer …«
Belustigt legte Lola die Hand vor den Mund und kitzelte den Pater mit der anderen neckisch unter dem Kinn.
»Auch bei mir beichten die Leut …«
»Sei’s, wie es sei, die beiden Schurken sind bei der Sache leer ausgegangen, und ich habe ihnen eine ordentliche Buße auferlegt.«
»Warum mussten die beiden denn Buße tun, wenn Herr Wirtho die Magd bekam?«, wollte Lola wissen.
Pater Anselm wälzte sich zur Seite. Er wurde schläfrig. »Weil sie das Luder in einen Sack gesteckt und ihm gebracht haben, und jetzt lass mich ein wenig ruhen, Weib! Hast doch deinen Willen und einen wilden Ritt gehabt.«
Sie kitzelte ihn ein wenig mit ihren pechschwarzen Haaren. »Der Herr Wirtho vermutlich auch mit der Magd?«
»Wird ihm schon zu Willen gewesen sein. Sie ist ein sündiges Weib und eine Hörige dazu.«
»Genau wisst Ihr’s aber nicht?«
Der Priester schüttelte den Kopf und murmelte: »Bei mir hat sie’s nicht gebeichtet.«
Bald darauf schnarchte er. Lola wartete kurz, dann erhob sie sich. Eine krumme, hinkende Gestalt trat aus dem Schatten heraus. Die alte Resl drückte der Hure ein Säckchen mit Kräutern in die Hand, die das Brennen lindern sollten, das Lola seit einiger Zeit beim Wasserlassen quälte. Dann schlich sich die Alte davon.
*
Stolpernd hastete Annelies den schmalen Pfad zur Festung herauf, getrieben von einem einzigen Gedanken: Zurück zur Burg! Das Tuch rutschte ihr vom Kopf, und ihr langes blondes Haar verfing sich immer wieder in Zweigen. Unter ihren Holzschuhen gab der Untergrund nach, und sie sah sich schon in den Abgrund stürzen. Lose Steine schlugen am Fuß des Berges nieder. Der Hall des Donners konnte in der hellen Mondnacht nicht lauter sein. Die Zofe verwünschte sich selbst, weil sie keine Haube aufgesetzt und nicht die guten Lederschuhe angezogen hatte, die ihr Arigund zum letzten Weihnachtsfest geschenkt hatte. Mehrfach glaubte sie hastige Schritte hinter sich zu hören. Keuchend und völlig außer Atem erreichte sie die kleine Pforte in der Burgmauer. Ihre klammen Finger rüttelten am Eisen des Türgriffs. Mit leisem Klacken gab das Schloss nach. Annelies atmete auf. Sie war in Sicherheit. Da legte sich eine eiskalte Hand auf ihren Mund und erstickte ihren Schrei. Starke Arme zogen sie in das angrenzende Buschwerk. Annelies roch Männerschweiß, spürte den Knauf eines Schwertes. Dann schwanden ihr die Sinne.
K APITEL 20
Es war der Ruf der Eule, der Arigund weckte. Im Traum hatte das Tier am Pfosten ihres Bettes gesessen – aufgeregt und mit den Flügeln schlagend, als habe es etwas Ungeheuerliches erlebt. Sein Gesicht wirkte dabei fast menschlich, hätten die Ohren nicht oben am Kopf gesessen und gäbe es nicht statt eines Mundes einen scharfen gelben Schnabel. Mit dem klapperte das Tier aufgeregt und schüttelte das Gefieder. Als es Arigunds verwirrte Miene bemerkte, schien es zu seufzen, dann sah es die junge Frau unverwandt an. Eine Weile saß die Eule nachdenklich da, schließlich senkte sie den Kopf. Zunächst klopfte sie mit dem Schnabel gegen das Holz des Bettpfostens, dann öffnete sie ihn, als wollte sie sprechen. Arigund hob die Hand und schrie: »Nein, nein! Ich will nichts wissen! Verschwinde!« Erstaunt sah die Eule sie an. Dann flog sie einfach zum Fenster hinaus. Ihr klagender Ruf war schon bald nur noch aus weiter Ferne zu hören, und der Name, den sie rief, wurde vom Winde verzerrt. Arigund konnte ihn nicht mehr verstehen.
Erschrocken fuhr die Kaufmannstochter aus dem Schlaf. Keuchend und mit nassgeschwitztem Hemd hockte sie aufrecht im Bett und lauschte in die Dunkelheit. Die Eule hatte sich in ein ganz normales Käuzchen verwandelt, das vermutlich irgendwo auf den Dächern saß und nach seinem Weibchen rief. Von dem Albtraum geblieben war nur das verschwitzte Laken. Arigund wollte gerade aufstehen und sich ein weiteres wollenes Tuch holen, als sie ein scharrendes Geräusch vor ihrer Tür hörte. Im nächsten Moment klopfte es. Jemand rief leise ihren Namen. Arigund tastete nach einem Talglicht und versuchte ihre Stimme fest klingen zu lassen:
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