Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
nicht so viel von den Süßigkeiten, das schadet deinen Zähnen‹. Es ist …, es ist …!« Das junge Mädchen rang nach Worten, um seiner Empörung Luft zu machen. Dann gab sie es jedoch auf.
»Ach, egal …«, meinte Arigund abschließend und setzte sich wieder. Ihr war zum Heulen zumute. Vielleicht konnte sie Großvater Zandt überreden, dass sie im Löwenhaus wohnen durfte. Ja, das war ein ermutigender Gedanke. Und was Annelies wohl haben mochte? Vielleicht war sie ja ebenfalls beunruhigt und deshalb so zerstreut! Ob sie auch schon daran gedacht hatte, dass ihre Herrin zu ihrem Großvater fliehen könnte? Und befürchtete sie womöglich, dann dieser unmöglichen Hildegard dienen zu müssen? Aber das würde Arigund ihr natürlich nicht antun. Sie würden gemeinsam zu Großvater Zandt ziehen! Geradezu erleichtert stand Arigund auf, als Annelies ihr Werk beendet hatte.
»Na, wie sehe ich aus?«, fragte sie launig. »Wie eine perfekte Stiefschwester? Vorzeigbar selbst in Thundorfer Augen?«
*
Wirtho von Brennberg hatte sich keineswegs gegrämt, als ihn der Vater anhielt, sich von der Hochzeitsgesellschaft zu entfernen. Sein Magen war gut gefüllt, und er hatte sowieso keine Lust gehabt, noch länger bei diesem bürgerlichen Pack auszuharren. Er konnte auch ohne Spielleute und Gaukler Spaß haben. Gemeinsam mit Sigurd und Waldemar, zwei anderen unverheirateten Rittern aus seinem Tross, hatte er sich an einem für die Gäste im Hof bereitgestellten Tisch niedergelassen, um dort dem Wein und dem Würfelspiel zuzusprechen. Fortuna schien ihm heute hold. Er hatte schon an die einhundert Regensburger Pfennige – ein kleines Vermögen – vor sich liegen und seine beiden Saufkumpane begannen zu murren, während sie nach versetzbaren Stücken in ihrem Hab und Gut kramten. Als Wirtho unterdessen nach dem Weinkrug griff, stellte er fest, dass dieser fast leer war. Gerade wollte er Waldemar, seinen rechten Nachbarn, anhalten, sich um Nachschub zu kümmern, da entdeckte er die Gestalt einer jungen Frau, die im Schatten des Gemäuers Richtung Pferdeställe huschte. Wirtho kniff die Augen zusammen, um sie besser erkennen zu können. Eine Zofe, der Kleidung nach gehörte sie zum Haushalt dieses prahlerischen DeCapella. Die kam gerade recht. Da musste er keinen seiner Männer bemühen.
»He, du da!«, rief er. »Komm her!«
Die Magd blieb zögernd stehen und sah sich um, unschlüssig, ob die Worte an sie gerichtet gewesen waren.
»Ja, du. Eil dich! Der Krug ist leer. Wir haben Durst.«
Die Angesprochene sah sich noch einmal zum Stall um, als sehe sie dort jemanden. Dann kam sie vorsichtig und gesenkten Blickes näher. Es war ein junges, gut genährtes Ding mit dunkelblonden Haaren. Ihre Brüste wölbten sich unter dem Dirndl wie reife Äpfel. Irgendwie kam sie dem jungen Ritter bekannt vor, aber er konnte sich nicht erinnern, wo er sie schon einmal gesehen hatte. Egal. Rasch ließ Wirtho die gewonnenen Münzen in einer Falte seines Gewands verschwinden. Das Spiel hatte seinen Reiz sowieso bereits verloren. Die Zofe knickste artig und bückte sich nach dem am Boden stehenden Weinkrug, da schlug Waldemar ihr kräftig auf den Hintern, sodass sie mitten zwischen den Männern mit dem Oberkörper auf dem Tisch landete. Klirrend zerbarst der tönerne Krug. Die letzten Weinreste ergossen sich über Wirthos Wams. Waldemar lachte grölend. Wirtho aber sprang wutentbrannt auf.
»Ungeschicktes Ding!«, brüllte er. »Das wirst du bezahlen!«
Grob stieß er das Mädchen zu Boden. Vor Schreck und Schmerz schrie es auf. Schützend hob es die Arme vors Gesicht, als er den Fuß hob, um zuzutreten, dann rollte es zur Seite, raffte sich auf und versuchte zu flüchten. Das brachte Wirtho noch mehr in Rage. Mit zwei Sprüngen war er der Magd nach. Er packte sie an den Haaren und zerrte sie zum Tisch zurück. Dort drückte er ihr Gesicht in die Weinlache, die sich über den Tisch verbreitet hatte. »Glaubst du, wir räumen den Dreck hier selber weg!«, herrschte er sie an.
»Nein, Herr«, winselte das junge Ding, »ich kümmere mich drum, und ich bringe auch neuen Wein.«
Der Druck von Wirthos Händen ließ nach. Ein zischender Laut entfuhr seinen Lippen. Er begann sich etwas zu beruhigen. Das Mädchen lag immer noch bäuchlings vor ihm auf dem Tisch. Deutlich waren ihre prallen Schenkel zwischen seinen Beinen zu spüren. Er beugte sich dichter über sie, fühlte das Beben ihres Körpers, hörte den raschen Atem und fühlte sich mit einem
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