Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
ihre Wangen, berührten ihre Augen, ihren Mund. »Nur um dich wiederzusehen bin ich mit der Herrschaft hierher gereist.«
Er beugte sich über sie. Seine Lippen waren nun dicht an ihren Ohren, und seine Hände umschlangen sie. »Eigentlich hätte ich auf der Burg bleiben sollen. Arithmea, die Stute meines Herrn, wirft in diesen Tagen. Doch das Schicksal war mir wohlgesonnen. Der Oberstallmeister verstauchte sich den Knöchel, und es war an mir, den herrschaftlichen Tross zu begleiten. Nichts, was ich lieber getan hätte, denn so wagte ich auf eine Gelegenheit zu hoffen, mit dir sprechen zu können. Jetzt ist sie da, und es ist mir wie ein Traum.«
Es fühlte sich wundervoll an, als seine Zunge wie zufällig ihr Ohrläppchen berührte.
»Nur um dich zu sehen bin ich zu den Knechten in die Stube gegangen«, flüsterte die Siebzehnjährige.
Matthias’ Griff wurde fester. Eine Hand glitt hinunter zu ihrem Gesäß. »So hast du dich ebenfalls nach mir gesehnt?«
»Jeden Tag, jede Stunde brannte Sehnsucht in mir, aber nie hätte ich vermutet, dass es dir genauso ergeht. Mein Herz steht in Flammen!«
Suchend sah sie sich um. Hier mitten auf dem Hof wollte sie mit keinem Burschen gesehen werden. Auch als Zofe konnte man rasch ins Gerede kommen. Matthias schien zu verstehen und hatte sofort eine Lösung parat. Er legte den Arm um ihre Schulter und zog sie Richtung Stall. Aber nun begann Annelies das Ganze Spaß zu machen. Sie beschloss, ihn zu necken, und blieb stehen.
»Das sagst du nur so, in Wirklichkeit …«
Der Rotschopf schien einen Augenblick verwirrt, ließ sich dann aber auf das Spiel ein. »Wie kannst du nur zweifeln!«, erwiderte er scheinbar gekränkt. »Schon als ich dich im Marienmonat das erste Mal mit deiner Herrin Arigund sah, bist du mir aufgefallen, aber ich wagte nicht, dich anzusprechen. Heute aber sah ich, dass deine Augen geleuchtet haben wie die Sterne einer Sommernacht, als dein Blick auf mich fiel, und jetzt, lass mich genauer hinsehen …« Seine Hände umfassten Annelies’ Gesicht. Er küsste sie sanft auf die Lippen. Nie, niemals würde sie diesen ersten Kuss vergessen. Er schmeckte salzig, ein bisschen nach Bier und doch süßer als jeder Honig. Sie hatte nur noch das Bedürfnis, in die Arme dieses Mannes zu gleiten. Sie wollte sich an ihn schmiegen, doch diesmal war er es, der sie warten ließ. Er trat einen Schritt zurück und betrachtete sie.
Dann hob er sie einfach hoch und trug sie zum Stall. Sie legte die Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. Matthias’ Gesicht war ganz dicht an ihrem. Sie roch seine Nähe, fühlte seine Wärme, ein Prickeln an ihren Wangen, das in ihren ganzen Körper ausstrahlte. Erst im Stall setzte er sie ab, aber los ließ er sie nicht mehr. Seine Lippen strichen behutsam über ihre Schultern, ihren Hals und tasteten sich in Bereiche vor, die zu berühren sie keinem Mann vorher erlaubt hatte.
»Annelies! Annelies!«, klang es von irgendwoher, aber es war nicht Matthias’ zärtliches Flüstern, sondern ein lauter, fordernder Ruf. Magda, eindeutig Magda.
»Rasch hier hinein!«, raunte Matthias.
Er schlang seine Arme um Annelies’ Hüften und zog sie ins Heu. Scheinbar zufällig fuhr dabei seine Hand unter ihren Rock. Überrascht bemerkte das Mädchen, dass ihrem Mund ein lustvoller Laut entwich. Im nächsten Moment sah sie sich selbst, wie sie dicht an Matthias gepresst lag, kurz davor etwas zu tun, was sie eventuell teuer bezahlen musste. Eine freie Zofe, die schwanger wurde, schickte man in Regensburg sofort zu ihrer Familie zurück, und die brachte sie postwendend ins Frauenhaus, wo sie sich für Geld verkaufen musste. Außer – ja außer Matthias nahm sie zur Frau, aber das wäre schwierig. Ein Knecht konnte gewöhnlich keine Frau ernähren und benötigte vor der Vermählung auch die Erlaubnis seines Herrn. Mit einem Ruck befreite sie sich. Matthias versuchte, sie zurückzuhalten.
»Was ist denn? Annelies, schöne, wundervolle …«
Die Magd legte ihm rasch die Hand auf den Mund.
»Pst, still!«, flüsterte sie, doch der von Leidenschaft gepackte Reitknecht küsste lediglich die dargebotenen Finger und hielt sie noch fester. Magdas Rufe wurden lauter. Annelies befreite sich, ordnete hastig ihre Schürze, klopfte sich das Heu aus dem Rock und trat aus dem Torbogen heraus.
»Ja, was ist?«, antwortete sie deutlich zu atemlos.
»Deine Herrin ruft nach dir!«, erklärte Magda.
Jetzt schien auch Matthias zu bemerken, dass sie nicht allein
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