Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Mal unglaublich mächtig. Es war ein berauschendes Gefühl, besser als Wein, besser als das Spiel, fast besser sogar als den Gegner im Tjost den Sand des Turnierplatzes kosten zu lassen. Hier bestimmte er die Regeln. Dieses Ding war nichts. Kein Hahn würde danach krähen, wenn er sich ein wenig mit ihm amüsierte. Er kostete den Gedanken aus und drängte seine Lenden, fast ohne nachzudenken, noch stärker an die Magd, griff nach ihren Brüsten. Ja, da waren sie, frisch, rund und fest!
»Bitte, Herr, bitte, lasst mich gehen!«
Ihr inständiges Flehen war kaum mehr als ein Flüstern. Die junge Zofe winselte, sie kroch vor ihm im Staub.
Ja, er könnte sie gehen lassen. Er hatte die Macht dazu. Er konnte gnädig sein. Aber da war eine Stimme in seinem Kopf, die sagte: »Nimm sie, hier und jetzt! Sie hat es verdient.«
Ein Räuspern riss Wirtho in die Wirklichkeit zurück. Er drehte den Kopf und erkannte Matthias, den Reitknecht, der ehrerbietig mit dem Hut in der Hand nur wenig entfernt stand.
»Verzeiht, edler Herr!«
»Was ist denn, Bursche«, erwiderte der Ritter unwirsch und richtete sich auf, sorgsam darauf bedacht, dass er zwischen dem Knecht und der Zofe stand.
»Ich würde nicht wagen, Euch zu stören, aber ich bin in Sorge um Euren Hengst.«
Der Ritter verlor sofort das Interesse an dem Mädchen. Der Rapphengst war sein Ein und Alles. Matthias trat einen Schritt vor.
»Er scharrt schon geraume Zeit mit den Hufen, am Ende war ihm das städtische Futter nicht zuträglich. Ich bitte Euch, kommt und seht nach ihm.«
»Eine Kolik? Himmel hilf! Du hast doch darauf geachtet, dass man ihm nur das Beste zu fressen gab?«
»Gewiss, Herr. Ich selbst war es, der ihm das Heu vorlegte, aber es ist eben nicht unser vorzügliches Bergwiesenheu.«
»Ich komme, Matthias, lass mich nur dies zu Ende bringen! Führe ihn so lange hinaus und achte, dass er sich nicht hinlegt.«
»Ja, Herr, das werde ich sofort tun, ich hoffe, ich kann ihn beruhigen, so wie Ihr das vermögt. Er ist sehr aufgebracht.« Mit einer knappen Verbeugung zog sich der Bursche langsam zurück, wobei er eindeutig versuchte, einen Blick auf das Mädchen zu werfen. Wirtho war hin- und hergerissen. Matthias hatte tatsächlich besorgt gewirkt. Was, wenn der Rappe ernsthaft krank war? War dieses Gör es wert, dass dem wertvollen Hengst etwas zustieß? Keinesfalls. Vielleicht ergab sich ja später noch einmal die Gelegenheit.
»Teufel auch!«, rief er aufgebracht und stampfte mit dem Fuß auf wie ein zorniges Kind. »Ich komme.«
Das Mädchen ließ er einfach liegen. Auch seine beiden Freunde, die dem Ganzen gebannt gefolgt waren, erhoben sich. Waldemar konnte es nicht lassen, der Zofe noch einmal kräftig in den Hintern zu kneifen.
»Wart auf mich, Süße!«, zischte er ihr ins Ohr. Doch die Zofe duckte sich unter ihm durch, schürzte die Röcke und floh in Richtung Haus, so schnell sie nur konnte. Die beiden Ritter lachten grölend und folgten dann Wirtho in den Stall.
*
Arigund eilte die Treppe des Geschlechterturms, des repräsentativsten Teils des DeCapella-Hauses, hinauf in den ersten Stock, wo sich die Feststube befand. Obwohl die Flügel der massiven Holztüre weit geöffnet waren, hing in dem Saal der schwere Geruch von Wein und Braten. Im letzten Moment zügelte das Mädchen die Schritte. Sein Vater würde es nicht gutheißen, wenn seine Tochter atemlos und mit roten Wangen in den Saal stürmte, ganz zu schweigen von den missbilligenden Blicken, mit denen Hildegard sie bedenken würde. Langsam und würdevoll trat sie also über die Schwelle. Die Gaukler, die eben ihre Vorstellung beendet hatten und von dem Kaufmann reich für ihre Künste belohnt worden waren, traten hochachtungsvoll zur Seite und verabschiedeten sich unter zahlreichen Verbeugungen. Arigund beobachtete, wie die Hand eines Knaben im Narrenkostüm nach einem der silbernen Löffel griff und diesen in einer Falte seines Gewandes verschwinden ließ. Sie sah sich nach einem Bediensteten um, der den Burschen stellen und das Eigentum der DeCapellas sichern könnte, vergaß aber ihr Vorhaben, als sie die Stimme ihres Vaters vernahm. Breitbeinig stand er vor dem aufwendig verzierten Wandteppich, die Hand mit dem Becher erhoben, und bemühte sich mit leicht lallender Stimme um Aufmerksamkeit. »Werte Gäste, ich erbitte einen Augenblick der Ruhe, um einer weiteren Darbietung zu folgen.«
Arigunds Blick traf auf den ihres Vaters, und wieder entdeckte sie dieses Strahlen in seinen
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