Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
erwarte von dir, dass du sie mit Achtung behandelst.«
»Ich werde sie genau so behandeln, wie sie mit mir umspringt!« Arigunds Stimme wurde schrill. »Wenn sie mich eine Gauklerin heißt, so heiße ich sie eine Närrin!«
»Kind, du vergisst dich!«, herrschte ihr Vater sie an.
Einen Augenblick starrten sich die beiden an, zwei Paar italienische Augen funkelten im Schein der Kienspäne.
»Schau doch mal, Ari, Liebes«, lenkte ihr Vater ein, »so wie du das aufgefasst hast, war das doch gar nicht gemeint. Das hat sie doch bloß im Spaß gesagt.«
»Ach, dann hat sie einen eigenartigen Humor. Außer ihr und dir fand das wohl so ziemlich niemand spaßig.«
DeCapella bemühte sich um Gleichmut. Doch seine Füße scharrten ungeduldig auf den hölzernen Dielen. »Nun reg dich doch nicht so auf! Du hast doch gar keinen Grund dazu? Du hast doch erst eine Ratsaffäre daraus gemacht, indem du mit hochrotem Kopf davongerannt bist. Warum hast du nicht einfach gelächelt und ihr zugeprostet?«
»Ach, dann bin ich jetzt an allem schuld?« Arigund musste ihre gesamte Willenskraft aufbieten, um ihren Vater nicht anzubrüllen. Wer hatte denn die unglaubliche Idee mit den Trinkliedern. Sie selbst etwa?
»Nun beruhige dich doch, Kind.« Beschwichtigend versuchte DeCapella einen Arm um seine Tochter zu legen, doch sie wies ihn zornig ab. Gekränkt zog sich der Kaufmann zurück.
»Na gut«, meinte er, und auch seine Stimme bebte nun. »Arigund, ich habe das Gefühl, dass es in letzter Zeit hier für dich zu aufregend war. Ich denke, ein wenig Ruhe täte dir gut, ein Aufenthalt auf dem Lande. Das wäre das Richtige für dich. Ich werde mich darum kümmern.«
Es war, als würden die Wände der Stube über ihr zusammenbrechen. Waren das die Worte ihres Vaters? Erfüllte er auf diese Art seine Schwüre, er würde immer für sie da sein.
Hätte er sie ins Gesicht geschlagen, hätte er sie nicht härter treffen können. So also waren Männer. Kaum hatte man eine neue Frau im Bett, schickte man die Tochter der alten weg! Arigund schluckte. Ihre Stimme klang eisig, als sie fragte: »Und woran habt Ihr gedacht, Herr Vater?«
»Ein Minnehof wäre durchaus passend für dich, Arigund.«
Er machte eine kurze Pause. »Brennberg«, meinte er dann, machte auf dem Absatz kehrt und rannte beinahe Annelies über den Haufen, die kreidebleich und mit zerrissenem Dirndl in der offenen Tür stand. DeCapella würdigte sie – ganz im Gegensatz zu all den anderen Männern, mit denen sie es heute Nacht zu tun gehabt hatte – keines weiteren Blickes. Arigund jedoch starrte ihre Zofe entgeistert an. »Was ist denn mit dir passiert?«, wollte sie wissen. »Dein Kleid ist ja ganz zerrissen, und du siehst aus, als wärst du gerade der Hölle entkommen.«
Ihre Zofe schien zu keiner Antwort fähig. Mit geweiteten Augen starrte sie Arigunds Vater hinterher.
»War das etwa Matthias?«, flüsterte Arigund weiter und hoffte, sich getäuscht zu haben.
Annelies schüttelte energisch den Kopf, rannte dann jedoch ohne ein weiteres Wort davon. Verwirrt sah ihr Arigund nach. »Was für ein Tag!«, fluchte sie leise, als sie die Tür zu ihrer Kammer zudrückte.
K APITEL 5
M AI 1268
Die Luft stand in den Gassen. Das Frühjahr war mit einer nicht enden wollenden Schlechtwetterfront über Regensburg hereingebrochen. Es goss in Strömen, während es für die Jahreszeit viel zu warm war. Die Schwüle ließ jede Tätigkeit zur Qual werden, doch Arigund war sowieso die Lust an der Arbeit vergangen. Seit ihre Stiefmutter samt Tochter im Haus das Regiment führte, gingen sich Vater und Tochter aus dem Weg, deshalb mied Arigund das Kontor. Großvater Zandt hatte versucht, die Wogen ein wenig zu glätten, doch das hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Eifersüchtig wachte seither die Thundorferin darüber, dass sich für Arigund keine Gelegenheit bot, den alten Mann zu treffen. Auch Hildegard belauerte sie mit Argusaugen und schaffte es stets zu verhindern, dass sie in die Nähe des Zandthauses gelangte. Während der gemeinsamen Mahlzeiten stocherte Arigund nur noch lustlos im Essen herum, oder sie brachte es Annelies, die seit der Hochzeit nicht weniger bedrückt wirkte.
»Warum isst du nichts?«, fragte Arigund ihre Magd. »Schlägt dir der Liebeskummer auf den Magen?«
Annelies antwortete nicht.
»Du wirst ihn ja demnächst wiedersehen, deinen Rotschopf«, versuchte Arigund das Mädchen aufzumuntern, aber es klang wenig überzeugend und schien auch keinerlei
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