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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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Augen. Er winkte sie in die Mitte des Saales.
    »Meine geliebte Tochter wird uns die Freude machen, für uns zu singen.«
    Mit einer großen Geste, die ausgestreckte Rechte erhoben, wies er auf Arigund. Das Mädchen hatte zwar erwartet, dass ihr Vater es zum Singen auffordern würde, jedoch hatte es auf einen besonderen Augenblick gehofft, etwa kurz bevor das Brautpaar sich zurückzog. So jedoch wirkte es auf Arigund, als wäre sie nur eine Nummer unter Gauklern. Doch es blieb ihr wenig Zeit zum Nachdenken. Jemand drückte ihr die Laute in die Hand. Verwirrt griff sie die Saiten. Welches Stück sollte sie singen? Dann atmete sie tief durch. Warum nicht einfach das wunderschöne Lied, das sie mit dem Prior die letzten Wochen geübt hatte? Sie nickte, sich selbst zustimmend. Ja, ein Lobpreis der Jungfrau Maria war schließlich nie fehl am Platz. Nach den ersten Strophen schloss sie die Augen, stellte sich vor, selbst das Jesuskind in ihren Armen geborgen zu halten. Klar und rein sammelten sich die Töne in ihrer Brust, um dann samten aus ihrer Kehle zu strömen.
    »Gepriesen seist du, Jungfrau, gebenedeit dein Leib.«
    Sie ließ sich forttragen von der Melodie an einen Ort der Liebe und Geborgenheit, an einen Ort, von dem sie niemand verjagen konnte, schon gar keine Hildegard aus dem Geschlecht der Thundorf. Als sie ihn gerade erreicht hatte, wurde sie jäh vom Applaus und der weinseligen Stimme ihres Vaters unterbrochen.
    »Das war wunderschön, Kind, aber, weißt du …« Ihr Vater unterbrach sich kurz und rang um die passenden Worte. »Arigund, ich würde mir etwas Fröhliches von dir wünschen, etwas, was die Stimmung dieses Festes mehr widerspiegelt. Ein Trinklied vielleicht?«
    Arigund schluckte den bissigen Kommentar herunter, der ihr auf den Lippen lag, fragte sie sich doch, wer hier in Feierlaune war. Ganz gewiss nicht sie. Widerstrebend packte sie den Hals der Laute fester. Trinklieder waren nicht gerade ihre Spezialität. So etwas hätte der Prior nie mit ihr geübt. Glücklicherweise hatte sie einige dieser Stücke zuweilen gemeinsam mit Annelies gesungen. Sie spielte erst ein Lied, dann ein zweites und nahm verwundert zur Kenntnis, dass es ihr langsam Spaß zu machen begann. Die Gäste prosteten sich zu und blickten sie aufmunternd an. Zuletzt stimmte sie noch ein »Küchenlied« an, in dem es um die kleinen Missgeschicke der Liebe ging. Die männlichen Festgäste begannen zu schmunzeln. Als sie schließlich die Laute beiseitelegte, bemerkte sie erstaunt, dass ihre Stiefmutter purpurrot angelaufen war. Verwirrt sah das Mädchen zu ihrem Großvater, dann zurück zu ihrem Vater, an dessen Seite seine neue Frau sich erhob. Sie griff mit langen, spitzen Fingern nach ihrem Becher, hob ihn hoch und meinte: »Auf Arigund DeCapella, die beim heutigen Fest den krönenden Abschluss der Reihe von Gauklern und Spielleuten bildete, die uns amüsieren sollten.«
    Es wurde totenstill. Alle starrten die neue Frau DeCapella an. Arigund auf eine Stufe mit Gauklern und Spielleuten zu stellen war ein Schlag ins Gesicht. Zwar waren die Schausteller auf Festivitäten gern gesehen, aber im Grunde hielten die Bürger sie für Gesindel, das noch weniger geachtet war als die unfreien Bediensteten. Hilfesuchend wanderte Arigunds Blick zu ihrem Vater, doch der stand schweigend da, dann hinüber zu ihrem Großvater, dem die Zornesröte ins Gesicht gestiegen war. Nur ein Gast behielt die Fassung, nämlich ihre Großmutter. Die fasste sich ein Herz und applaudierte einfach. Erleichtert taten es die anderen Gäste ihr gleich. Arigund wartete das Ende der Beifallsbekundungen nicht ab. Sie stürzte aus dem Festsaal, rannte zurück in ihre Kammer und warf die Tür wütend ins Schloss.

*
    Sie hatte gerade das dritte Kleid aus ihrer Truhe gezerrt und auf den Boden geworfen, als sich die Tür zu ihrer Stube öffnete und ihr Vater eintrat. Der blickte verwundert auf den Kleiderhaufen am Boden und fragte: »Willst du dich umziehen und kannst dich nicht entscheiden?«
    Arigund starrte ihn an. Konnte es sein, dass er wirklich nicht merkte, wie sehr sie sich gekränkt fühlte? Ungeschickt angelte er nach einem Kleid aus rotem Brokat.
    »Das da fände ich sehr hübsch. Zieh es an und komm dann wieder herüber.«
    »Keine zehn Pferde bringen mich zurück in den Festsaal«, erwiderte Arigund zornig. »Nicht nach dem, was diese Frau vor den Gästen über mich gesagt hat.«
    Ihr Vater runzelte die Stirn. »Diese Frau ist deine Stiefmutter, und ich

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