Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Freude.
»Ihr kennt den Pferdehändler von früher?«, bohrte Heinrich weiter.
Arigund hatte sich bereits eine passende Antwort zurechtgelegt, und so kam ihr die Lüge leicht über die Lippen. »Ihn nicht, doch sein Weib. Sie war in Regensburg meine Zofe, verließ uns aber. Ich mochte sie sehr. Jakob meinte, Ihr habt sie am Saaleufer getroffen?«
»Ja.«
»Sie waren gewiss nach Nürnberg unterwegs.«
»Ihr scheint Euch mit dem Verlauf der Handelsstraßen gut auszukennen. Doch vergesst Ihr eines: Sie könnten sich genauso gen Leipzig gewendet haben. Zudem wachen die Herren von Camburg auch über zwei andere Handelswege, die Salz- und die Wendenstraße. Haben die beiden die Brücke benutzt, können sie vom Mönchengosser Land aus in jede Richtung weiterfahren.«
»Sie könnten also überall sein«, meinte Arigund.
»Richtig.«
»Wäre sie in unserem Hause geblieben, hätte ich bei einem Mädchen sicher Pate gestanden«, murmelte Arigund. »Ihr wisst wohl nicht, um das Geschlecht des Kindes?«
Der Ritter schüttelte den Kopf und meinte stattdessen: »Sie muss hoch in Eurer Gunst gestanden haben.«
»Oh ja, und in der meines Vaters«, antwortete Arigund mit versonnenem Lächeln. »Wann habt ihr sie getroffen?«
»Das ist schon eine ganze Weile her.«
»Ich hoffe für sie, dass es ein Mädchen geworden ist. Sie wünschte es sich so sehr.« Arigund senkte den Blick.
Der Ritter sah sie merkwürdig an, öffnete die Lippen, als wollte er etwas fragen, schwieg aber dann doch. Arigund war froh darüber. Sie hätte nie gedacht, dass sie ihr eigenes Söhnchen, Wirthos Kind, jemals vermissen würde. Merkwürdigerweise durchfuhr sie ein unerklärlicher Schmerz bei dem Gedanken, es niemals im Arm halten, niemals aufwachsen sehen zu können.
»Erzählt mir von Prag, Herr Ritter«, versuchte sie abzulenken. »Seid Ihr schon einmal dort gewesen?«
Heinrich verneinte, schien aber froh über den Themenwechsel. »Ich habe gehört, dass Prag riesig ist«, dozierte er, »und voller Leben steckt. Wenn Ihr Regensburg gewohnt seid, wird Prag Euch sicher gefallen.«
»Was habt Ihr dort vor?«
»Ich hoffe, die Gunst des Königs zu gewinnen und in diesem Winter die Herrschaften mit meiner Kunst zu erfreuen.«
»Das wird Euch gewiss trefflich gelingen. Man sagt, niemand könne sich im Lautenspiel mit Euch messen.«
Geschmeichelt lächelte der Ritter zu ihr herüber. Arigund errötete bei dem Gedanken, das Leuchten in seinen Augen könne ihr gelten. Arigund beneidete ihn. Er gab solch eine stattliche Figur zu Pferde ab. Zudem kannte er seinen Platz in der Welt. Alles gelang ihm scheinbar mühelos. Gewiss lagen ihm die Frauen zu Füßen, und die Männer sonnten sich in seinem Glanz. Zum zweiten Mal in ihrem Leben wünschte sich Arigund, schöner zu sein, anmutiger, kurvenreicher und vor allem, eine hellere Haut zu haben. Hätte Gott ihr ein Antlitz wie das von Berta geschenkt, dann wäre es ihr wohl gelungen, Heinrichs Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Aber wollte sie das überhaupt? Dann aber erinnerte sich Arigund, dass sie bereits verheiratet war, und seufzte tief.
»Was ist?«, fragte Heinrich sofort besorgt.
Die junge Frau schüttelte den Kopf und antwortete: »Es ist nichts. Ich bin wohl nur das Reiten nicht mehr gewohnt.«
Das war nicht einmal gelogen. Ihr taten bereits sämtliche Muskeln und vor allem das Gesäß weh. Trotzdem war es besser, als zu Fuß zu gehen. Heinrich nickte verständnisvoll und versuchte sie abzulenken. Er deutete zu Jakob hinüber. »Schaut einmal, was der Bengel schon wieder treibt.«
Jakob beugte sich gerade vom Sattel herab, formte einen Schneeball und schleuderte ihn frech einem der Kutscher an den Hut. Der Mann schrie auf und grapschte hastig nach seiner Kopfbedeckung. In letzter Sekunde konnte er verhindern, dass das wertvolle Stück zu Boden fiel. Wütend drehte er sich nach dem Reiter um, wagte dann aber doch nicht, die Schimpftirade loszulassen, die ihm schon auf der Zunge lag, sondern ballte lediglich die Faust. Als Jakob Arigunds belustigten Blick sah, begann er wilde Grimassen zu reißen. Die junge Frau erwiderte, sehr zu Heinrichs Verdruss, die Albernheiten. Jakob fühlte sich angespornt. Tollkühn kniete sich der Junge auf die Kruppe seines Pferdchens oder versuchte schließlich sogar zu stehen. Prompt landete er im tiefen Schnee. Lachend sprang er auf die Füße, schüttelte sich wie ein Hund und rannte seiner Stute hinterher. Arigund lachte aus vollem Halse, und Heinrich stimmte
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