Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Spieß, und am Abend waren alle so betrunken, dass Bischof Bruno zur Mäßigung riet, da die Stadtordnung in höchstem Maße gefährdet schien. Doch dieses eine Mal fand die Stimme des Ratgebers beim König kein Gehör.
»Lasst die Leute ihren Spaß haben!«, rief er dem Bischof stattdessen vergnügt zu. »Sie trinken auf ihren zukünftigen König.«
Seufzend nahm der feiste Geistliche neben Wernhardt von Zelkingen Platz, der erst vor wenigen Wochen sein Amt als Professor für Kirchenrecht in Bologna niedergelegt hatte, um in Kürze die Bischofsweihe in Seckau zu empfangen. Man munkelte, er habe dies lediglich dem Einfluss Ottokars zu verdanken, der große Stücke auf ihn hielt.
»Wir sollten ihm seine Großzügigkeit heute nicht verdenken«, mahnte Wernhardt. »So lange hat unser Herrscher auf einen Thronfolger warten müssen. Doch seht, dort drüben kommt dieser junge Mann, von dem man sagt, er habe die Stimme eines Engels. Ich bin schon gespannt auf seinen Vortrag.«
Bischof Bruno nickte und lehnte sich zurück: »Ihr habt recht, Herr Wernhardt, doch ich bin in Sorge. Allerlei Gesindel treibt sich in Wien herum, und das könnte die Festtagslaune ausnutzen, um Unheil zu stiften.«
»Wir können es auch nach dem Fest ergreifen und verurteilen. Doch still nun, der Sänger beginnt, und ich habe gehört, er trüge eine Ballade auf die Tochter des Königs vor.«
Die beiden Kirchenmänner lehnten sich vor, um einen Blick auf den Sänger zu erhaschen, vor dem sich eine dichte Menschentraube drängte. Die Gespräche im Saal verstummten. Der Troubadour zog seine Hörer schon nach den ersten Strophen in seinen Bann.
»Wahrhaftig, die Stimme eines Engels«, bestätigte Bischof Bruno. Ächzend erhob er sich, um besser sehen zu können.
»Wie winzig er ist!«, flüsterte er erstaunt.
»Und welch große Stimme er hat. Seht nur, unsere Prinzessin ist ganz hingerissen von dem Vortrag. Man sagt übrigens, er habe schon wunderbare Lieder zum Lobpreis des Herrn vorgetragen. Er ist ein gottesfürchtiger junger Mann. Ich selbst konnte beobachten, wie er täglich dem Schöpfer für seine Gabe dankt. Nur wenige Menschen sah ich so andächtig beten wie ihn.«
»Man sollte ihn überreden, sich und seine Stimme ganz Gott zu widmen«, schlug Bischof Bruno vor.
Plötzlich wurde der Vortrag unterbrochen. Tumult entstand. Ein finster dreinblickender Ritter mit schwarzem Bart schlug wild um sich und brüllte: »Betrug!«
Wachknechte eilten herbei, doch der Kerl ließ sich nicht beruhigen. Er wehrte sich immer noch, als ihn die Wache entfernte. Irritiert suchten Bischof Brunos Augen nach dem Sänger, doch der war verschwunden.
*
König Ottokar war außer sich vor Zorn. Es war ein Sakrileg, den Burgfrieden während eines solchen Festes zu stören, und doch war es geschehen. Zunächst hatte er vorgehabt, den Kerl ohne viel Federlesen an den nächsten Baum knüpfen zu lassen, doch dann trugen ihm die Wachen etwas so Unerhörtes zu, dass der König sogar seine beiden Ratgeber, Bischof Bruno und Wernhardt von Zelkingen, zu der Befragung des Gefangenen bat. Der schien wenig Reue zu zeigen. Aufrecht und mit funkelnden Augen baute er sich vor den drei Männern auf und beugte sein Knie erst, als ihn die Wachen gegen die Beine traten.
»Nennt Euren Namen!«, befahl der König barsch.
»Wirtho von Brennberg, Truchsess des Bischofs von Regensburg«, antwortete der Mann.
»Und Ihr, Truchsess des Bischofs von Regensburg, beschuldigt einen Gefolgsmann des Königs des Betruges. Ihr wisst doch, dass Tassilo dal Monte zu meinen Vasallen zählt.«
Wirtho stieß ein kehliges Lachen aus. »Tassilo dal Monte. Einen hübschen Namen hat sie sich da ausgedacht.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«, mischte sich Bischof Bruno ein.
»Dass das ein Weib ist – mein Weib, um genau zu sein.«
Der König trat erstaunt einen Schritt zurück. Konnte das möglich sein? Er hatte es nie geprüft. Er hatte sich auf das Wort Heinrichs von Meißen verlassen, der sich für »Tassilo« verbürgte.
»Und wie kommt es, dass sich Euer Weib nicht an Eurer Seite befindet?«, wollte Bischof Bruno wissen, der merkte, wie ratlos sein Lehnsherr war.
»Ich erwischte sie beim Ehebruch mit meinem geschätzten Bruder und ließ Milde walten. Sie sollte sich in ein Kloster zurückziehen und um Vergebung für ihre Sünden beten. Sie aber entzog sich ihrer Bestrafung und floh.«
Der Bischof wiegte den Kopf und wechselte dann bedeutsame Blicke mit Wernhardt von Zelkingen. Der ergriff
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