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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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er wieder hochgezogen wurde. Dem Wächter genügte es zu hören, dass Pater Anselm gemeinsam mit den beiden Gefangenen laut ein Gebet sprach. Das berichtete er seinem Herrn. Mehr nicht. Trotzdem war er heilfroh, dass er Wirtho in der nächsten Zeit nicht mehr unter die Augen würde treten müssen. Sein Herr war schon immer schwierig gewesen, doch in letzter Zeit steigerte sich der Zorn des jungen Truchsess häufig in regelrechte Raserei, die nicht selten Blut kostete. Auch äußerlich hatte sich Wirtho verändert. Sein ehemals rundes Gesicht wirkte eingefallen. Ringe säumten seine wilden Augen. Unter den Bauern hieß es, der Truchsess sei besessen. Sie flüchteten in ihre Häuser, sobald sie sein Kommen ahnten. Ein Aufatmen ging durch ihre Reihen, als bekannt wurde, dass der Burgherr für einige Wochen verreisen würde.
    Der Türmer verfolgte den Abritt der Männer von seinem Fenster aus. Unter Todesandrohung hatte man ihm eingeschärft, dass sich die Gefangenen noch an Ort und Stelle zu befinden hätten, wenn der Truchsess zurückkäme. Natürlich hatte der Mann geschworen, dass es genau so sein würde. Misstrauischer als sonst beäugte er Pater Anselm, der an diesem Abend hinkend zum täglichen Besuch kam.
    »Heute wirst du selbst hinabsteigen müssen, mein Sohn«, gab ihm der Priester Bescheid. »Ich habe ein böses Furunkel an dem Ort, den der Herr fürs Sitzen vorgesehen hat. Willst du mal sehen?«
    Pater Anselm machte Anstalten seine Kutte zu lupfen. Der Türmer wehrte heftig ab. Schon so ging ein übler Geruch von diesem Klappergestell aus.
    »Dann ruf ich jemanden, der mich wieder hochzieht«, meinte der Türmer.
    »Wirst niemanden finden. Die wenigen, die dageblieben sind, trinken auf das Wohl unseres Herrn. Aber sei unbesorgt. Ich bin in der Lage, die Kirchenglocken zu läuten, also schaffe ich es auch, dich wieder hochzuholen.«
    »Ich bin mir da nicht so sicher.«
    »Jetzt sei kein solcher Hasenfuß, mein Sohn. Vertraust du etwa nicht auf Gott?«
    »Doch, schon, aber …«
    »Kein aber. Bete ein Vater unser und bring’s hinter dich oder soll ich dem Truchsess berichten, du hättest deine Pflicht nicht erfüllt?«
    Der Priester schob dem Mann das abgewetzte Holzstück einfach zwischen die Beine. Die letzte Drohung schien ihn überzeugt zu haben, denn ohne weiteren Widerspruch ließ sich der Mann nun nach unten abseilen. Er hatte den Boden noch nicht ganz erreicht, als Hände im Dunkeln nach seinen Beinen griffen und ihn vom Sitzstock zerrten. Der Türmer kreischte: »Nach oben! Um Himmels willen, zieht mich hoch!«
    Stattdessen ließ Pater Anselm das Seil weiter nach unten gleiten, der Türmer landete unsanft auf dem Boden. Ein Stein brachte ihn zum Schweigen. Reimar von Brennberg klammerte sich an den Sitzstock wie an eine Himmelsleiter. Pater Anselm gab sein Bestes, hätte jedoch beinahe vor Aufregung das Drehrad losgelassen, bevor Reimar festen Boden unter den Füßen hatte. Zum ersten Mal seit fast einem Jahr standen sich die beiden Männer bei Licht gegenüber, und ein jeder erschrak über das Aussehen des anderen. Der junge Ritter war um Jahre gealtert. Sein Haupthaar war beinahe grau geworden.
    »Gott dem Herrn sei Dank!«, hauchte Reimar. »Nun rasch wieder hinunter mit dem Sitzstock. Wir müssen den tapferen Herrn Ulrich heraufholen.« Der Mährener war trotz des mehrwöchigen Aufenthalts immer noch ein schwerer Brocken. Nur gemeinsam gelang es den beiden Männern, den Ritter ans schwindende Tageslicht zu holen.
    »Gut gemacht, Pater. Mein König wird es Euch danken. Ihr kommt natürlich mit uns.«
    Mit energischen Schritten trat Ulrich zum Ausgang.
    »Wartet«, hielt Reimar ihn zurück. »Was ist mit den verbliebenen Männern meines Bruders? Sie könnten uns entdecken und die Flucht vereiteln.«
    »Seid unbesorgt, Herr«, beruhigte ihn der Kaplan. »Ich habe zur Feier des Tages ein Fässchen Messwein spendiert. Wenn mich nicht alles täuscht, ist das mittlerweile leer. Zudem habe ich Euch Kleidung mitgebracht. Sie gehörte Bauern, die kürzlich verstorben sind.«
    »Teufel, habt Ihr sie etwa nackt begraben?«, fragte Ulrich.
    »Wo denkt Ihr hin. Ich habe gesagt, sie wäre für Herrn Reimar in seinem Gefängnis.«
    Der junge Ritter sah den Geistlichen erstaunt an.
    »Ihr seid noch immer sehr beliebt beim Volk, Herr«, erklärte Pater Anselm.
    »Umso besser«, stellte Ulrich fest und warf sich die Kleidungsstücke über. »Haben wir Pferde?«
    »Zwei junge Stuten, kaum geritten. Ihr müsst sehen,

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