Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
nun das Wort: »Das sind schwere Anschuldigungen. Gibt es denn Beweise?«
»Nun, es wäre einfach zu prüfen: Lasst das Weib herbeibringen und reißt ihm die Kleider vom Leib. Dann werdet Ihr sehen, dass ich die Wahrheit gesprochen habe.«
»In der Tat, das wäre es«, gab der Rechtsgelehrte zu, »doch was, wenn Ihr falschliegt. Wir hätten Tassilo brüskiert. Gerade er …«
Ottokar schnitt dem Zelkinger das Wort ab.
»Ich werde über Eure Anschuldigungen nachdenken und Euch meinen Entschluss zukommen lassen. Bis dahin werden Euch Räume zugewiesen, die Eurem Stand entsprechen. Bleibt da und wartet, bis ich Euch rufen lasse.«
Wirtho verneigte sich kurz und verließ den Raum.
Die beiden Gottesmänner warteten, bis der König sich wieder an sie wandte.
»Dass so etwas an meinem Hof geschehen sein soll«, knurrte der Herrscher. »Nun, meine Herren Bischöfe, was ist Eure Meinung?«
Bruno sprach als Erster: »Es wäre schon eine Tollkühnheit dieses Sängers, wenn er ein Weibsbild wäre.«
»Viel schlimmer noch«, erklärte Wernhardt von Zelkingen. »Wenn es tatsächlich stimmt, dann hätte sich der Hof der Przemysliden zum Gespött Europas gemacht.«
»Ihr meint also«, fasste der König zusammen, »wir sollten der Wahrheit lieber nicht auf den Grund gehen.«
Bischof Bruno nickte. »Man könnte die Sache auch anders regeln.«
Wernhardt kratzte sich hinterm Ohr und meinte dann: »Tassilo könnte einfach verschwinden, oder es stößt ihm ein Unglück zu. Es ist viel Gesindel unterwegs in diesen Tagen«, setzte er vielsagend hinzu.
Einen Moment herrschte Stille im Raum. Grübelnd blickte der König zu Boden. Seiner Finger spielten mit einem Medaillon, das das Abbild seiner Tochter enthielt.
»Aber was, wenn Tassilo unschuldig ist?«, wandte er ein. »Schließlich ist dieser Brennberger ein Vasall des Bayernherzogs. Was, wenn er nur Unruhe stiften will? Meine Tochter hängt an diesem Venezianer. Sie wird untröstlich sein.«
»Man müsste herausfinden, ob etwas an der Sache dran sein könnte«, bestätigte Bischof Bruno.
»Und wenn die Prinzessin selbst herausfände, dass sie betrogen wurde?«, fragte Wernhardt.
»Das wäre natürlich etwas anderes, aber wie …?«
»Lasst mich nur machen, mein König.«
*
Arigund packte wie eine Rasende ihre Sachen. Wild durcheinander landeten Kleidungsstücke und Wertgegenstände in einem Sack. Immer wieder brachten Schluchzer ihre Schultern zum Beben. In ihrem Kopf wiederholte sich ständig ein Satz: »Er hat mich gefunden!«
Sie war fast fertig, als Heinrich in das Zimmer stürmte.
»Seid Ihr von Sinnen, Tassilo, einfach so aus dem Saal zu rennen?«, fauchte er. Dann fiel sein Blick auf Arigunds gepackte Sachen. »Was soll das bedeuten?«
»Was wohl?«, kreischte Arigund verzweifelt. »Ich muss weg. Sofort. Er ist da. Habt Ihr nicht gesehen, dass er da ist?«
Ein weiterer Heulkrampf schüttelte sie. Heinrich ging zu ihr und packte sie an den Schultern. Sie erwiderte seine Umarmung, hielt sich an ihm fest, als sei er ein Stück Treibholz, das sie davor bewahren konnte, in den Tiefen des Meeres zu versinken.
»Ruhig, ganz ruhig«, flüsterte er und küsste ihren Nacken.
»Aber wenn ich jetzt nicht gehe, dann …«
Er drückte sie fester, schloss sie in seine Arme, trank ihren Geruch und fühlte einmal mehr, wie ihn die Leidenschaft zu übermannen drohte. Doch sie war das Weib eines Adelsherrn, die Geliebte eines Freundes! Er löste sich aus ihrer Umklammerung und hielt lediglich ihre Hand in der seinen.
»Kommt erst einmal zur Besinnung! Welcher Teufel hat Euch denn so einen Schrecken eingejagt?«
»Wirtho. Er hat mich erkannt. Er ist hier.«
»Hm, das ist er in der Tat, aber glaubt mir, jetzt wird sich alles zum Guten wenden.«
»Zum Guten? Seid Ihr toll, Heinrich?«
Arigund zitterte am ganzen Körper. Sie vertraute seinen Worten nicht, aber sie wollte auch zurück in seine starken Arme und seine Hände auf ihrem Körper spüren. Stets war er wie ein Fels im reißenden Fluss gewesen. Nie hatte er versagt, selbst wenn sie bereits aufgegeben hatte. Doch was konnte er in diesem Fall schon tun?
»Ihr kennt Wirtho nicht. Er ist wie ein wütender Jagdhund, der von seiner Beute erst ablässt, wenn sie in ihrem Blute liegt.«
»Wilden Tieren muss man furchtlos gegenübertreten und ihnen direkt in die Augen sehen. Bleibt standhaft, treu und aufrichtig, dann wird die Wahrheit siegen.«
Arigund schüttelte den Kopf. Heinrich mit seinen verrückten
Weitere Kostenlose Bücher