Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Hause Ehre, Arigund«, verabschiedete sich der Handelsherr, und zu Annelies sagte er: »Sei deiner Herrin ergeben.«
Dann gab er dem Kutscher das Zeichen zur Abfahrt. Die Peitsche knallte über den Ohren der Maultiere, woraufhin sich die beiden Braunen energisch in Bewegung setzten. Der Wagen holperte über das Pflaster.
»Leb wohl, mein Kind!«, rief DeCapella seiner Tochter nach, und tatsächlich hob diese zaghaft ihre Hand zum Abschied, aber einen Blick zurück warf sie nicht.
*
Arigund hatte sich innerlich längst vom Haus ihres Vaters verabschiedet. Dennoch mischten sich Trauer und Unsicherheit in ihre Abenteuerlust, als sie die drei Türme der Brücke hinter sich ließ. Was würde sie auf dieser Reise erwarten, und wie würde es ihr und Annelies auf Burg Brennberg ergehen? Konnte es ihr gelingen, die Anerkennung der Burgherrin zu erlangen? Und war es möglich, sich gegen dieses Ekelpaket von Wirtho durchzusetzen? Tausend Gedanken jagten durch Arigunds Kopf, als die Reisegesellschaft sich in Stadtamhof donauabwärts wandte. Die Dirnen, die ihrem Gewerbe außerhalb der Stadtmauern nachgehen mussten, musterten die Mädchen aus hohlen Augen, einige der Freier grinsten frech zum Wagen herauf. Doch schon bald waren sie alleine auf der Handelsstraße. Die war gut ausgebaut, und an manchen Stellen lugten sogar Pflastersteine aus dem Morast. Es hieß, die Steine seien von den Römern hergebracht worden, die die Route von Passau kommend bereits genutzt hätten. Arigund hielt das für ein Gerücht. So lange konnte eine Straße nicht Bestand haben, vor allem, wenn sie täglich von so vielen Fahrzeugen genutzt wurde. Die eisenbeschlagenen Reifen mussten die Steine innerhalb kurzer Zeit zermalmen. Ihr Vater hatte ihr erzählt, dass die Regensburger Straße eine wichtige Verbindung nach Nürnberg sei, von wo man bequem innerhalb weniger Wochen nach Prag reisen könne. Und Herr Ittlinger, einer der Agenten ihres Vaters, hatte von einer direkten Verbindung von Regensburg gen Osten berichtet, die über Hermsdorf nach Frauenpriefnitz führte und dort in die Salzstraße mündete. Das Handelshaus kaufte oft das »weiße Gold« im Böhmischen und verkaufte es in Regensburg oder Kelheim. Arigund wollte gerade den Kutscher fragen, wo sich die Abzweigung denn befände, da schnalzte er mit der Zunge, und die Maultiere setzten sich in Trab. Die Mädchen kuschelten sich zusammen und versuchten eine möglichst bequeme Sitzposition einzunehmen.
»Jetzt geht unser Abenteuer also los.« Arigund deutete mit dem Finger auf die Berge, die in einer Dunstglocke verhangen in der Ferne lagen. »Dort hinauf müssen wir.«
Annelies nickte und blickte munter drein. »Zum Glück haben wir die Maultiere und müssen nicht zu Fuß gehen.«
»Und zum Glück regnet es gerade mal nicht«, ergänzte Arigund. Dann stimmte sie eines der Küchenlieder an. Annelies klatschte im Takt, und sogar der Kutscher brummte mit.
»Jetzt habe ich aber Hunger«, meinte Arigund am Ende ihrer Gesangsdarbietung.
Annelies sah sie erleichtert an. Scheinbar hatte ihre Herrin beschlossen, die Trauer hinter sich zu lassen, und entwickelte wieder Appetit. Sie kramte nach dem Vesperkorb, in den Magda feinste Köstlichkeiten gepackt hatte. Obenauf lagen, in ein sauberes Tuch gehüllt, ein paar frische Krapfen, deren Duft einem das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ.
Einen Augenblick sah ihre Herrin das Backwerk an, als wollte sie es sich doch wieder anders überlegen. Dann jedoch griff sie zu: »Hoffen wir, dass es nicht unsere Henkersmahlzeit ist«, versuchte sie zu scherzen. »Wer weiß, was die auf dem Lande so außer Dünnbier auf den Tisch bringen.«
»Herrin, das sind Adelige«, wandte Annelies ein.
»Na, wir haben ja gesehen, wie die sich den Wanst vollschlagen, wenn sie an eine reich gefüllte Krippe kommen. Bei der Hochzeit haben sie gefressen, als hätten sie seit Tagen nichts zum Beißen gehabt. Aber sag, was glaubst du? Wird dein Matthias in dem Trupp sein, der uns abholen soll?«
»Er ist nicht ›mein Matthias‹«, grummelte Annelies. »Aber schön wäre es.«
»Dein Ritter!«, meinte Arigund mit gespielter Theatralik. »Und er hebt dich in glänzender Rüstung auf sein weißes Pferd. Ihr galoppiert in die untergehende Sonne, einem glücklichen und freien Leben entgegen.«
»Na, dann muss er mich aber gut festhalten. Ich kann nämlich nicht reiten!«
»Das wird der Rotbart gewiss mit größtem Vergnügen tun.« Arigund zwinkerte ihrer Zofe
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