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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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alle gleichzeitig in die Ställe, um Zuflucht vor dem aufziehenden Unwetter zu finden. Alles drängte sich im ohnehin engen Burgfried. Riesige graue Hunde versuchten laut kläffend Ordnung zu schaffen, was das Weidevieh aber lediglich dazu brachte, vor Aufregung noch lauter zu blöken, die Schwänze zu heben und sich zu erleichtern. Arigund rümpfte die Nase. Was für ein Gestank! Prompt tappte sie mit ihren teuren Schuhen in eine tierische Hinterlassenschaft. Angeekelt versuchte sie das klebrige Zeug an einem Stein abzustreifen. Einige Knappen, die sich bemühten, trotz des Windes Kienspäne zu entzünden und in die dafür vorgesehenen Halterungen zu stecken, begafften das Mädchen lachend und machten sich eindeutig über sein Missgeschick lustig. Der Wind trug Fetzen ihrer Tuscheleien herüber: »Eine Bürgerstochter, … zu den Brennbergers.«
    »… Kosten kommen.«
    »Gold …«
    »… reicher selbst als der Bischof.«
    »Und jetzt kauft er ihr einen Mann von Stand.«
    Hastig drehte Arigund sich weg. Der Sprecher, ein dürrer, narbengesichtiger Bursche, hatte eindeutig gewollt, dass sie diese Worte hörte.
    »Bald werden wir von Kaufleuten regiert«, murrte er.
    »Die Zeiten ändern sich eben«, meinte ein anderer.
    Arigund floh zur Burgmauer. Was die Burschen wohl damit gemeint hatten, ihr Vater wolle ihr einen Mann von Stand kaufen? Sie war gewiss kein Burgfräulein und verspürte auch keine Lust, eines zu werden. Ein Stadtkind, das war sie. Sie liebte es, hinter sicheren Mauern zu leben, wo sie sich nicht vor Raubrittern fürchten musste und als ein Spross der Zandt mit Achtung behandelt wurde. Sie genoss es, durch die Gassen zu streifen oder den Markt zu besuchen. Sie amüsierte sich auf Festen und lästerte für ihr Leben gern mit Annelies über die unbeholfenen Annäherungsversuche der Patriziersöhne. Selbst die täglichen Pflichten im Kontor hatten sie mit Genugtuung erfüllt. Und sie hatte darauf gehofft, irgendwann gemeinsam mit dem Vater das Handelshaus zu führen. Wenn das schon nicht möglich sein sollte, weil sich bei ihm die Thundorferin eingenistet hatte, so wollte sie doch wenigstens als Ehefrau einem angesehenen Handelshaushalt vorstehen. Das Leben auf einer Burg – und was war ein Minnehof schon anderes –, das war nichts für sie.
    Arigund ließ den Blick schweifen. Was war eine Burg schon anderes als ein Misthaufen mit Mauern drum rum, den man als Frau ohne Gefahr für Leib und Leben nicht verlassen konnte. Innen drin wimmelte es von Hinterwäldlern, die nach Schweiß und Gäulen stanken, und von Bauern, denen Erde an Haaren und Händen klebte. Arigund gefiel es schon hier, am fürstbischöflichen Hofe, nicht. Wie sollte es erst in Brennberg werden, wo sich Fuchs und Hase »Gute Nacht« sagten? In diesem Moment hasste Arigund Katharina Thundorf aus tiefster Seele, und nicht einmal ihr Vater fand vor ihrem geistigen Auge Gnade. Seine Worte hallten noch in ihren Ohren: »Es ist eine Ehre für ein Bürgermädchen, an einem Minnehof erzogen zu werden. Außerdem kannst du da deine musikalische Erziehung vollenden.« Welch ein Hohn!
    Von wegen Singen. Ihr Hals war jetzt schon rau. Sie würde sich erkälten, vermutlich an der Schwindsucht erkranken und halb tot nach Regensburg zurückkehren. Wie würde ihr Vater weinen, wenn er sein sterbendes Kind in den Armen hielt. Und Vorwürfe würde er sich machen! Seine Tochter, dem Tode nahe! Wehe, wehe …
    Doch dann erinnerte sich Arigund, dass die Thundorferin schwanger war. Womöglich hatte der Vater gar kein Interesse mehr an ihr, falls er zum Christfest einen Erben in den Armen hielt. Er würde sie vergessen. Sie würde nie mehr nach Regensburg zurückkehren. Ein tiefer Schluchzer entwich ihrer Kehle. Nein! So weit wollte sie sich nicht gehen lassen. Entschlossen hob sie einen Stein auf. Mit aller Kraft schmetterte sie ihn über die Mauern hinab in die Tiefe. Es dauerte lang, bis sie hörte, wie er am Fuße der Burg zersprang, doch beim Klang des Aufpralls schwor sie sich, es allen zeigen zu wollen. Sie war aus dem Geschlecht der Zandt, und deren Wappen war der Löwe! Entschlossen stapfte das Mädchen zurück zu ihrer Kemenate.

*
    Überrascht erfuhr Arigund, dass Annelies ihr das Nachtmahl nicht aufs Zimmer bringen konnte, weil die anwesenden Frauen gemeinsam im »Frauenzimmer« speisen würden. Annelies hatte die Truhe ihrer Herrin bereits hereinbringen lassen. Sie machte sich daran, Arigund mit flinken Fingern aus ihrer Reisekleidung zu helfen,

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