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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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verkaufte oder weiter nach Prag exportierte. Die meisten seiner Handelszüge nutzten diese Straße und kamen zwangsläufig hier an den Weinhängen vorbei. Die teuren Waren waren eine große Verlockung für Räuber. Im Grunde gab es nur zwei Möglichkeiten, einem Überfall vorzubeugen: Entweder man musste eine bedeutende Anzahl Bewaffneter mieten, oder man bestach die Winzer. Herr DeCapella setzte bevorzugt auf Letzteres, da es auf die Dauer günstiger kam. Er hatte im Zuge seiner Reisen regelmäßig die Weinbauern aufgesucht, mit ihnen getrunken und so manches Fass zu überteuertem Preis gekauft. Das hatte das Handelshaus im hiesigen Raum beliebt gemacht, und es gab fast nie Probleme mit den Wegelagerern.
    Seit der Heirat mit der Thundorferin ging DeCapella nicht mehr selbst auf Handelsreisen, sondern beauftragte Agenten mit diesen Angelegenheiten. Arigund war nicht wohl dabei. Sie fand es unverantwortlich vom Vater, sein Geld und Gut fremden Händen anzuvertrauen, selbst wenn es sich um bewährte Angestellte handelte. Das Mädchen seufzte tief. Nun, er würde den Rat und die Loyalität seiner Tochter schon noch vermissen.

*
    Sie erreichten die Veste Werd gerade rechtzeitig vor dem nächsten Regenschauer. Die trutzigen Mauern der Burg tauchten aus der Wolkenwand und wurden kurz danach wieder von ihr verschlungen. Die Bischofsresidenz erhob sich hoch über der Donau. Zum ersten Mal war Arigund tatsächlich beeindruckt, was den Besitz des Adels anging. Dieses Bauwerk übertraf an Mächtigkeit und Baukunst alles, was das Mädchen je zu Gesicht bekommen hatte. Die Maultiere – bereits müde von der Hitze und dem Schlamm – protestierten in ihren Geschirren, als der Kutscher sie in die steile, felsige Straße zu lenken versuchte. Den beiden Mädchen – Stadtkindern, denen schon das Donauufer gefährlich vorgekommen war – wurde mulmig, als sich der Weg immer stärker wand. Annelies fasste verstohlen nach dem Kreuz an ihrer Brust, Arigund wurde wortkarg. Fünf Ave Maria später erreichten sie unversehrt die Wehrmauer. Die Tore standen offen, bewacht von zwei jungen Wachknechten mit bischöflichem Wappen. Ihre Aufgabe nahmen die beiden Jungspunde jedoch nicht sonderlich ernst. Ohne auch nur genauer hinzusehen, winkten sie die Reisegesellschaft durch.
    »Warum weht keine Fahne auf den Zinnen?«, wollte Annelies wissen.
    »Der Hausherr, unser Fürstbischof, ist wohl noch immer auf seiner Wallfahrt.«
    »So sind wir heute Nacht bischöfliche Gäste? Was für eine Ehre!«
    Arigund winkte ab. »Wollen erst einmal sehen, wie sie ausfallen wird, diese Gastfreundschaft, und ob unser guter Truchsess schon da ist. Vielleicht lässt er uns ja auch bis zum Frühjahr hier sitzen.«
    »Das glaub ich kaum!«, widersprach Annelies und deutete auf eine Gruppe von Pferden, deren abgenutzte Schabracken das Wappen der Brennberger trugen. »Schaut, Herrin!«
    Aufgeregt sprang das Mädchen aus dem Gefährt. Vielleicht konnte sie Matthias erspähen. Arigund streckte die Glieder und krabbelte ebenfalls aus dem Wagen. Eine sauertöpfisch blickende Frau begrüßte sie und wies ihnen den Weg in eine einfache, unbeheizte Kammer, in der sich die beiden Mädchen einen Strohsack und den Raum selbst mit den weiblichen Bediensteten teilen mussten. Arigund hielt das zunächst für ein Missverständnis, bekam aber von einem ziemlich hochnäsigen Hofmarschall zur Auskunft, dass man aufgrund der zahlreichen Gäste derzeit keine anderen Gemächer zur Verfügung stellen könne, schon gar nicht für Weibsleut.
    »Nun ja, für eine Nacht, wird das schon gehen«, meinte sie resigniert zu Annelies.
    »Ich kann auf dem Boden schlafen«, bot die Zofe an.
    Arigund fröstelte. Die Winterkälte steckte noch in den mächtigen Mauern. Es würde eine kühle Nacht werden. Ganz sicher würden sie beide weniger frieren, wenn sie sich aneinanderkuschelten.
    »Lass gut sein, Annelies, aber vielleicht könntest du dafür sorgen, dass unser Gepäck vollständig hier hereinkommt. Ich würde mir nach der Schüttelei im Wagen gerne ein wenig die Füße vertreten.«
    Annelies nickte und machte sich geschäftig an ihren Auftrag. Arigund zog es hinaus zum Burgfried. Sie erhoffte sich einen überwältigenden Blick von der Burgmauer über die Donau – vorausgesetzt, sie wurde nicht von den Zinnen geweht, denn die ersten Böen eines Gewitters zerrten bereits an ihren Haaren. Das Mädchen schlängelte sich durch ein Gewirr von Tieren: Pferde, Ochsen, Schafe, ja sogar Hühner drängten

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