Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Angst, der Herr würde mir die Schuld geben für alles, und man würde mich davonjagen, so wie all die anderen, seit der Hochzeit. Was würde dann aus mir werden? Ich bin ja nur …«, die Stimme brach Annelies fast, »… eine Zofe.«
Arigund sah auf sie herunter und fasste ihre Hand. »Du bist viel mehr als das, Annelies. Du bist meine Freundin, meine allerbeste Freundin. Niemals würde ich zulassen, dass man dir etwas antut.«
Im nächsten Moment lagen sich die beiden Mädchen in den Armen.
»Wir werden unser Glück schon machen«, flüsterte die Zofe schließlich tapfer, aber mit wenig Überzeugung in der Stimme. Vorsichtig löste sie sich aus Arigunds Umarmung. Die strich ihr Kleid sorgfältig zurecht.
»Das will ich doch meinen!«, erwiderte sie schließlich kämpferisch und voller Zorn. »So schnell lassen wir uns nicht unterkriegen.«
»Die Herrin der Burg ist eine edle Dame und weiß Eure schöne Stimme gewiss zu schätzen.«
»Wir werden unseren Spaß haben. Angeblich soll es auf Minnehöfen immer lustig zugehen. Gaukler und Sänger sind gern gesehene Gäste.« Arigunds Stimme überschlug sich.
»Und bestimmt gibt es dort auch ansehnliche Ritter …«, meinte Annelies schon deutlich munterer.
»Du hörst dich an wie mein Vater.«
»Warum nicht? Ihr könntet so ein Anwesen bestimmt einträglich verwalten, Herrin. Schließlich stammt Ihr aus einem Handelshaus.«
Arigunds Miene verdunkelte sich schlagartig. »Das mich gerade verstößt! Ich hasse diese Thundorferin und ihre ganze Bagage«, brach es aus dem Mädchen heraus. »Der Zorn des Herren soll über sie kommen! Über sie und diesen Bastard, den sie in ihrem Leib trägt.«
Annelies bekreuzigte sich erschrocken. »So etwas dürft Ihr nicht sagen, Herrin Arigund, nicht einmal denken. Es ist gewiss nur der Schmerz über den Verlust Eures Großvaters, der Euch solche Worte in den Sinn hat kommen lassen.«
»Und du hoffst nur, deinen Rotschopf wiederzusehen!«, erwiderte Arigund bissig. Annelies zuckte zusammen. Im nächsten Moment tat ihrer Herrin die Bemerkung leid. »Entschuldige, bitte entschuldige, Annelies, wie gemein von mir. Ich wollte das wirklich nicht sagen. Es ist … nun, es ist nur irgendwie … es bricht alles über mir zusammen. Ich weiß überhaupt nichts mehr.«
Annelies zerknautschte ihre Schürze. »Ganz ehrlich, natürlich bin ich aufgeregt bei dem Gedanken, Matthias wiederzusehen«, gestand die Zofe, »aber ich habe schreckliche Angst vor dem jungen Truchsess.«
Arigund legte erneut den Arm um die Zofe. »Zugegeben, ich kann diesen Wirtho und seinen Vater nicht ausstehen und die Aussicht, den Sommer auf so einer Burg auf dem Lande zu verbringen, ist alles andere als verlockend, aber: Mit Katharina und Hildegard unter einem Dach, das ist die Hölle. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, von hier wegzugehen. Soll mein Vater doch selber sehen, wie er mit diesen Thundorfern klarkommt.«
*
Als der kleine Tross zwei Tage später den ersten der drei Türme der Steinernen Brücke erreichte, rauschte die Donau zornig unter ihnen durch. Hellbraune Schaumkronen tanzten auf den Strudeln, die der Nix täglich neu erschuf. Während der Brückenmeister den Zoll kassierte, schaute Arigund hinab in die Fluten des gewaltigen Flusses und überlegte, wie es sich wohl anfühlen würde, in seinen kalten Armen zu liegen.
DeCapella schloss seine Tochter zum Abschied in die Arme. Seit dem Tod ihres Großvaters hatte das Mädchen kaum noch ein Wort mit ihm gewechselt und war auch zu den Malzeiten nicht mehr bei Tisch erschienen. Der Kaufmann schwankte zwischen Verärgerung und Trauer, doch seine Frau hatte ihm Mut gemacht und zur Geduld gemahnt. Arigund, so meinte sie, ließe sich nicht drängen. Sie würde von selbst wieder zu ihm finden, sobald es ihr besser ginge. Doch während der letzten zwei Tage schien sich Arigund nur noch weiter von ihm zu entfernen. Jetzt, als es hieß Lebewohl zu sagen, fehlten Vater und Tochter die geeigneten Worte, und so verpassten sie die Gelegenheit zur Versöhnung.
DeCapella hob das zierliche Mädchen schweren Herzens auf einen der Planwagen mit wertvollen Tuchballen. Der Karren war eigentlich nicht als Reisegefährte für Damen ausgerichtet und sollte anschließend auch gleich weiter Richtung Passau fahren. Um den beiden Mädchen ein wenig Bequemlichkeit zu verschaffen, hatte man die Plätze hinter dem Kutscher mit Kissen und Decken ausgekleidet und so eine bequeme Sitzgelegenheit vorbereitet.
»Mach unserem
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