Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
verschwörerisch zu. »Und wenn Wirtho dir wieder zu nahe tritt, könnte Matthias ihn fordern. Ein Kampf um die Ehre einer Jungfrau. Wie aufregend!«
»Oh, ich weiß nicht, ob das so gut für Matthias wäre. Wirtho ist angeblich ein ziemlich guter Schwertkämpfer.«
»Sagt man das?«
»Ja, schon. Vor ihm muss man sich in Acht nehmen.«
»Wenn du meine Meinung hören willst, ist er ein Gockel, der viel kräht, sich aber nur an Schwächere wagt«, lästerte Arigund und erinnerte sich an das Gespräch zwischen den Truchsessen und ihrem Vater. Der Kaufmann jedenfalls schien keine Angst vor den Brennbergern gehabt zu haben.
»Ich frage mich, warum der Herr Wirtho so gemein ist? Ich meine, seine Mutter ist doch eine edle Dame, und sie steht einem Minnehof vor. Ich dachte immer, dass dort die Herren Ritter besonders vornehm wären …«
»Wahrscheinlich war die Milch seiner Amme sauer«, mutmaßte Arigund. Annelies wusste nicht, ob ihre Herrin das im Spaß gesagt hatte oder an so etwas tatsächlich glaubte. Sie jedenfalls hatte reichlich jüngere Geschwister und noch nie erlebt, dass aus den Brüsten ihrer Mutter anderes als reinste süße Muttermilch geflossen wäre.
Arigund betrachtete versonnen die hohen Weiden, die die Ufer der Donau säumten. Die Maultiere hatten einen gemütlichen Zuckelschritt eingelegt, sodass der Wagen sanft schaukelte. »Also, wenn die Brennberger besonders vornehm sind«, meinte Arigund gähnend, »dann möchte ich die anderen Ritter lieber gar nicht erst kennenlernen.« Sie lehnte ihren Kopf an Annelies Schulter und schloss die Augen.
*
Je weiter sie sich von Regensburg entfernten, desto beschwerlicher gestaltete sich die Reise. Arigund wünschte, sie könnte reiten, nur leider hatte sie das genauso wenig wie Annelies gelernt. Im Grunde ihres Herzens fürchtete sie sich vor diesen riesigen, unberechenbaren Tieren, und deshalb hatte sie stets abgelehnt, wenn ihr Vater ihr ein Pony hatte schenken wollen. Zu allem Überfluss begann es wieder zu regnen. Die Mädchen verkrochen sich unter die Plane und waren froh, als sie die Herberge in Stufo erreichten, in der sie die Nacht verbrachten.
Am nächsten Tag brachen sie früh auf. Der Nebel klebte zäh an den Donauufern. Begleitet wurden sie nun von gedungenen Wachleuten, die mit gelockertem Waffengürtel misstrauisch das Gestrüpp beobachteten, welches links und rechts die Straße säumte. Es dauerte fast bis zum Mittag, bis es aufklarte. Kaum aber hatte sich die Sonne ihren Weg durch den Nebel gekämpft, stellte sie ihre Kraft unter Beweis. Es wurde für die Jahreszeit ungewöhnlich warm, selbst die starken Maultiere freuten sich über die stündlichen Pausen. Kaum wieder angeschirrt, brüllten sie mürrisch und schlugen mit den Köpfen, geplagt von den Mücken, die in Schwärmen über sie herfielen. Der aufgeweichte Weg führte die Reisegesellschaft zunächst weiter an der Donau entlang, sodass sie während der Pausen die Füße in das frische Wasser strecken und die Mückenstiche kühlen konnten.
Schließlich rückten die Berge von links stetig näher. Hoch und unheimlich ragten sie über ihnen auf. An die gerodeten Hänge klammerten sich struppige Weinreben. Bislang kannte Arigund die Rebstöcke nur als herbstlichen Tischschmuck. Da hatten die Pflanzen viel mächtiger ausgesehen und waren mit wohlschmeckenden Trauben behangen. Diese braunen, holzigen Gewächse dagegen fristeten ein kümmerliches Dasein. Trotzig wurden sie von ihren Eigentümern umsorgt, beharkt und die ersten grünen Blättchen begutachtet. Die Winzerburschen hielten kurz in ihrer Arbeit inne, um den beiden Mädchen zuzuzwinkern, aber auch, um zu sehen, welcher Handelsherr seine Waren hier entlangschickte und wie gut sie bewacht waren. Arigund wusste, dass ihr Vater den Weinbauern das eine oder andere Fass abkaufte, wobei ihn weniger ein kaufmännisches Interesse leitete. Der Wein dieser Region war von minderer Qualität und brachte auf dem Markt nur wenige Pfennige ein. Viel wichtiger war Herrn DeCapella, dass seine Agenten dadurch unbeschadet reisen konnten und seine Schiffe sich seltener gegen Donaupiraten zur Wehr setzen mussten. Denn die meisten der hiesigen Strauchdiebe stammten von eben diesen Weinbauern ab, es waren Söhne, die auf dem heimischen Hof kein Auskommen hatten.
Sein eigentliches Geschäft machte Arigunds Vater mit Fernhandelsreisen nach Byzanz oder Venedig, wo er kostbare Tuche, Gewürze und andere Orientwaren erwarb, die er dann entweder vor Ort
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