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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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Hyazinthe riechen und den Gesang der Nachtigall hören können.«
    »Aha«, merkte Annelies an, obwohl sie den Ausführungen ihrer Herrin nicht wirklich zu folgen vermochte.
    »Und schwächlich, so wie Magdalena behauptet hat, ist Reimar schon gar nicht. Er hat starke Arme und wäre bereit, sein Leben für seine Dame und Minneherrin zu lassen.«
    »Er sollte nur aufpassen, dass ihm dieser Wunsch nicht allzu schnell gewährt wird«, warf Annelies ein.
    »Vorher muss er ja erst noch zum Ritter geschlagen werden, aber das wird bald der Fall sein, im Herbst vielleicht. Deshalb nimmt ihn der Waffenmeister auch hart ran. Du solltest mal den riesigen blauen Fleck sehen, den der Schwerthieb am Vormittag auf Reimars Brust hinterlassen hat. Aber er erträgt die Schmerzen, ohne mit der Wimper zu zucken. Er ist wirklich tapfer.«
    Arigund nahm einen erneuten, diesmal sehr tiefen Schluck aus dem Becher, und Annelies fragte sich, bei welcher Gelegenheit ihre Herrin diese ominöse Verletzung zu Gesicht bekommen hatte. Sie selbst hatte bei ihrem Schäferstündchen jedenfalls von Matthias’ Oberkörper nichts gesehen. Dafür waren ihr andere Einblicke gewährt worden … Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Arigund deutete diese Reaktion falsch. Sie hielt sich ertappt die Hand vor den Mund.
    »Nicht doch, Annelies, was denkst du. Wir haben nichts Verwerfliches getan, nur geredet. Weißt du, es tut gut, mal wieder ein vernünftiges Gespräch zu führen, so wie früher mit Großvater Zandt.«
    Da musste Annelies dann doch ein wenig kichern. Dieser Vergleich hinkte in jeder Weise.
    »Verzeiht mir, Herrin, aber ich glaube gar, Ihr seid verliebt.«
    Unwirsch winkte die Kaufmannstochter ab. »Unsinn!«
    Gleichzeitig warf sie einen kritischen Blick in den Spiegel. »Glaubst du, man kann meine Hautfarbe irgendwie ein bisschen heller bekommen? Es ist schlimm, kaum streift mich ein Sonnenstrahl, sehe ich aus wie eine Sarazenin.«
    Die Zofe biss sich auf die Lippen, um nicht laut herauszuprusten, schlug dann jedoch ernst vor: »Ihr könntet ein wenig Puder verwenden, aber ich weiß nicht, was Pater Anselm davon halten wird. Ihr denkt doch noch an die Lateinstunde vor dem Nachtmahl?«
    »Oh nein … ich meine, ja. Mist, ich habe vergessen, den Text zu übersetzen, den er mir gab.«
    Hektisch kramte Arigund in ihrer Truhe. Endlich hatte sie das Pergament gefunden. Sie sah aus dem Fenster. Die Sonne senkte sich gen Westen. Es blieb vermutlich nicht genug Zeit, die Übersetzung zu Papier zu bringen.
    Sie sah noch einmal zu Annelies hoch, die sich gerade verabschieden wollte. »Übrigens«, begann Arigund, »versuche doch, deine Tändelei mit Matthias etwas zurückhaltender auszuleben. Du bist doch wegen ihm bei den Pferdeställen gewesen, oder?«
    Annelies wurde purpurrot und biss sich auf die Lippe.
    Arigund seufzte. »Annelies, ich will deinem Glück weiß Gott nicht im Wege stehen, aber wir sind hier nicht in Regensburg. Und bedenke: Matthias ist ein Höriger, er ist unfrei.«
    Erstaunt stellte Arigund fest, dass sich auf Annelies’ Gesicht so etwas wie Trotz abzeichnete. Ging die Sache zwischen ihrer Zofe und dem Stallknecht tiefer, als sie annahm? Die Patriziertochter runzelte die Stirn. Hoffentlich wusste Annelies, auf was sie sich da einließ. Ein Leben mit einem Unfreien auf dem Land war etwas gänzlich anderes als das, was sie bei einer standesgemäßen Ehe in der Stadt erwartete. Doch jetzt war nicht Zeit und Ort, darüber zu reden.
    »Halt dich einfach von den Ställen fern«, riet Arigund ihrer Zofe, »denn da läufst du unweigerlich Wirtho von Brennberg in die Arme.«
    Die Zofe nickte schuldbewusst. »Tut mir leid«, presste sie zwischen den Zähnen hervor.
    Aber Arigund hatte sich bereits in ihre Übersetzung vertieft. Sie schaffte es gerade noch rechtzeitig, fertig zu werden, doch als sie an Pater Anselms Studierstube klopfte, öffnete lediglich ein Knecht. Der Pater sei fortgeritten und würde erst in ein paar Tagen zurückerwartet, gab dieser dem Mädchen Bescheid. Arigund trollte sich verwundert.

*
    Annelies’ Holzschuhe flogen in weitem Bogen davon, als sie den Teppich aus jungem Gras erreichte. Immer schon hatte sie sich gewünscht, barfuß über eine Wiese zu laufen. In der Stadt war das nicht möglich. Die Straßen stakten von Schmutz und Unrat. Pflanzenbewuchs gab es höchstens in den Gärten der Herrschaften, aber die sahen es nicht gern, wenn das Gesinde darüberlief. Hier aber krähte kein Hahn danach.

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