Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
wenn die Frauen verheiratet sind?«
»Der Truchsess kann tun und lassen, was er will. Gesetz und Anstand gelten nur für uns kleine Leut’. Zudem ist es ja sogar niedergeschrieben.«
»Dass er jedes Mädchen haben kann?«
»Genau. Das Recht der ersten Nacht. Nun ja, zuweilen nimmt er sich sein Recht schon früher, oder er dehnt es so lange aus, bis sich die Ankunft eines neuen Untertans ankündigt …« Matthias deutete mit der Hand bei Annelies einen Schwangerschaftsbauch an. »Dann sucht er sich eine Neue. Laufen ja genug rum.«
»Und ist das immer so?«
»Bei den Hübschen gewiss. Da lässt er niemals einen Ritt aus. Obwohl, in letzter Zeit, seit ihn das Rheuma plagt, ist er ein wenig ruhiger geworden. Dafür übt Wirtho fleißig. Neulich ist er über die Tochter des Stallmeisters hergefallen. Den Vater hättest du sehen sollen. Ein Gesicht, rot wie ein Gockel! Ist ja kein Höriger, der Stallmeister und seine Tochter auch nicht. Die ist dem Schmied fest versprochen, und der wollt sie gern ungeritten.«
Keck fasste Matthias der Zofe an die Brüste. Prompt fing er sich einen unsanften Stoß in die Rippen ein. »He, das darfst du beim Truchsess aber nicht machen, du kleines Wildpferd!«, schimpfte der Rotschopf.
»Der soll mir nur kommen. Sein Rheuma kann er in einem anderen Bett auskurieren.«
Matthias lachte. »Der Truchsess kann von seinen Hörigen einfordern, was er möchte.«
»Ich bin aber keine seiner Unfreien.«
»Nein, kleine Wildkatze, das bist du nicht, im Gegensatz zu mir.« Annelies lehnte nachdenklich den Kopf an Matthias’ Schulter.
»Was wäre, wenn wir heiraten wollten, Matthias?«, fragte die Zofe.
»Nun, so einfach ginge das nicht. Wir müssten die Herrschaft um Erlaubnis fragen.«
»Und, würde der Truchsess zustimmen?«
Matthias grinste über das ganze Gesicht und fuhr mit seinen Händen Annelies’ Körperumrisse nach. »Nun, ich denke, nach eingehender Prüfung würde er gewiss nicht nein sagen.«
»Du meinst«, flüsterte sie nach einer Weile, »er würde seinen Preis von mir fordern.«
»So wie ich ihn kenne, ja.«
»Und der junge Herr, Wirtho?«, hakte Annelies mit ängstlicher Stimme nach.
»Der Truchsess kann das Recht der ersten Nacht einem anderen gewähren, auch seinem Sohn.«
Annelies wurde blass. »Das ist ja schrecklich.«
»Aber Liebes, es ist eine Auszeichnung, obwohl …« Matthias unterbrach sich.
»Obwohl was?«, hakte Annelies sofort nach.
»Na ja, der Herr Wirtho benötigt wohl noch etwas Schliff im Umgang mit Frauen, aber die Herrin von Eckmühl wird ihm den schon geben.«
Entschlossen richtete sich Annelies auf: »Also, ich möchte mit dem Herrn Wirtho weder mit noch ohne Schliff eine Nacht verbringen müssen.«
»Dann solltest du besser nicht länger seine Blicke auf dich ziehen«, riet Matthias. Unbewusst fuhr seine Hand hinauf zu dem roten Striemen auf seiner Wange, den der Gertenhieb vom Vormittag hinterlassen hatte. Annelies nahm die Hand weg und besah sich die Verletzung.
»Ich bringe dir morgen Arnikasalbe. Die streichst du darüber. Sonst bleibt eine Narbe. – Es tut mir leid, ich bin schuld daran.«
Matthias zog das Mädchen erneut an sich. »Das ist nichts, da ich dich dafür sehen konnte, meine Liebe.«
Sanft knabberte er an ihrem Ohrläppchen, leckte an ihrem Hals und entblößte ihre Schultern. Annelies räkelte sich in seinen Schoß. Es war herrlich, Matthias so nahe zu sein. Ein greller Pfiff riss sie aus ihren Träumen hoch, Matthias zuckte zusammen.
»Ich muss gehen, der Herr sucht nach mir.«
Pferdegetrappel erschütterte die Erde. Die jungen Stuten wieherten ängstlich. Eilig stopfte sich der Reitknecht das Hemd zurück in die Hose und setzte seine Mütze auf. Dann trat er vor den Felsen. Wirtho hielt seinen Hengst genau auf ihn zu. Matthias nahm die Mütze ab, senkte den Blick, blieb aber ruhig stehen. Der junge Truchsess ließ seinen Hengst unmittelbar vor dem Knecht aufbäumen. Unwirsch knirschte das Tier mit den Zähnen und scharrte mit den Vorderhufen, nachdem diese den Boden wieder berührt hatten.
»Hier also steckst du, Bursche. Was treibst du?«
»Ich habe nach den Pferden gesehen, Herr«, log Matthias. »Lukki meinte, eines davon ginge lahm. Es hatte aber nur einen Stein im Huf. Den habe ich entfernt.«
»Einen Stein, so, so. Welches soll das denn gewesen sein?«
Matthias deutete auf eine Braune mit breiter Blesse, die ein wenig abseits stand. »Die da vorne, Herr.«
»Und unter der Eiche hast du ihn begraben,
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