Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
zu Willen gewesen war, trug der Frühsommerwind davon. Seine Begierde war eher noch größer als beim letzten Mal, aber er drängte sie nicht. Er beschränkte sich darauf, ihren Körper zu erforschen, und weckte auf diese Art auch ihre Neugierde. Zögerlich glitt ihre Hand unter sein Hemd aus grauem Leinen, das für einen ledigen Stallburschen erstaunlich gepflegt war, und begann seinen Körper zu umspielen. Erstaunt stellte sie fest, dass er viel mehr Haare auf seinem Körper hatte als sie. Seine Haut fühlte sich auch ganz anders an als ihre. Anerkennend strich sie über die Muskeln, die sich am ganzen Körper fest und gefällig abzeichneten.
*
Der Knecht beobachtete ein wenig amüsiert, wie Annelies verschämt ihre Hand am Gras abwischte.
»Das ist der Saft des Lebens, meine Schöne«, meinte er versonnen lächelnd, »und er zeugt von meiner Liebe zu dir.«
Annelies sah ihn zweifelnd an.
»Glaubst du das nicht?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Der Domprediger sagt, es sind die unguten Körperflüssigkeiten, die der Mann regelmäßig ausstößt. Bei uns Frauen passiert das auch, aber nur bei Neumond, und sie sind blutrot.«
Matthias lachte schallend. »Dann hat der keine Ahnung. Man braucht doch nur zuzusehen, wie der Hengst die Stute bespringt. Das sind dieselben Säfte. Ohne sie gäb’s im nächsten Jahr kein Fohlen!«
Das Mädchen machte große Augen. »Ich glaube kaum, und überhaupt: Das kann man doch nicht vergleichen.«
»Gewiss, in jedem Fall.«
»Du meinst, …« Annelies wurde blass. »Bekomme ich jetzt ein Kind?«
Matthias lachte noch mehr. Die Zofe wurde purpurrot und verwendete ihre gesamte Konzentration darauf, Kleeblüten zu suchen und daran zu saugen, wie eben Lukki. Überrascht stellte sie fest, dass sich tatsächlich ein honigsüßer Geschmack auf ihrer Zunge breitmachte. Matthias schien einen Moment verwirrt.
»Weißt du das wirklich nicht, oder willst du mich auf den Arm nehmen?«
Annelies wurde noch röter. Wütend warf sie die Kleeblüten weg. Am liebsten wäre sie, so schnell es geht, unter der Eiche hervorgekrochen und weggelaufen, aber dann hätte sie sich nur noch mehr blamiert. Belustigt fuhr Matthias ihr durch die Haare, so wie man es bei einem kleinen Kind macht. Unwirsch schüttelte das Mädchen seine Hände ab. »Lass das, ich bin kein Säugling.«
Matthias dachte gar nicht daran, seinen Schatz entkommen zu lassen. Er zog sie an sich, knabberte an ihrem Ohr und flüsterte dann: »Nein, nein, du bekommst jetzt ganz sicher kein Kind. Das könnte höchstens passieren, wenn …« – diesmal geriet der Knecht ins Stocken – »… also wenn, mein …, nun wenn … Weißt du was, ich zeige es dir, wenn demnächst die Stuten zum Hengst gebracht werden.«
Annelies nickte. »Ja, mach das, denn schwanger darf ich auf keinen Fall werden, weißt du.«
Jetzt wirkte Matthias verwundert. »Warum nicht? Kinder sind doch ein Segen. Ich würde dir furchtbar gerne ein Kind machen. Oder bist du krank oder so?«
Annelies strich die Reste der Blüten von der Schürze ihres Dirndls. »Herr DeCapella duldet es nicht, wenn unverheiratete Mädchen seines Haushalts schwanger werden. Ich würde meine Stelle verlieren. Jedenfalls ist das letztes Jahr bei Hanne so gewesen, der Küchenmagd. Dabei soll der Bankert sogar sein eigener gewesen sein – sagt Magda.«
»Magda?«
»Meine Base. Die hat jetzt Hannes Anstellung bei den DeCapellas.«
»Und was ist mit dem schwangeren Mädchen geschehen?«
Annelies zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ins Frauenhaus ist sie nicht gegangen, jedenfalls wurde sie dort nicht gesehen und bei den Straßendirnen auch nicht. Eigentlich wurde sie überhaupt nicht mehr gesehen.«
Matthias begann erneut, Annelies’ Fußgelenke zu streicheln. Ein wohliger Schauer durchlief das Mädchen.
»Also, das ist merkwürdig. Der Truchsess würde niemals auf die Idee kommen, eine Magd wegzuschicken, die ein Kind von ihm erwartet, na ja, dann hätte er auch bald keine mehr.« Der Knecht lachte laut auf. »Im Gegenteil, die Mägde sind stolz, wenn der Herr sich für sie interessiert. Es geht ihnen besser. Sie erhalten Geschenke und Vergünstigungen, und solange sie dem Kind die Brust geben, müssen sie nie hungern.«
Annelies wehrte Matthias’ Hände mit einem leichten Klaps ab, als sie sich allzu frech weiter nach oben wagten. »Du meinst, dein Herr treibt es mit seinen Bediensteten, und einige der Kinder hier auf der Burg sind seine?«
»Ja, sicher.«
»Und
Weitere Kostenlose Bücher