Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
oder was? Willst du mich für dumm verkaufen?« Wirtho lachte kalt.
»Nein, Herr, ich habe mich erleichtert.«
Der Adelige stieß die Luft mindestens ebenso laut aus wie sein Hengst, der sehnsüchtige Blicke zu der Herde hinüberwarf. Die ein- und zweijährigen Stuten äugten neugierig zu ihm herüber, hielten aber gebührenden Abstand.
Wirtho beugte sich zu Matthias herab und schnüffelte wie ein Jagdhund. »Erleichtert«, wiederholte er mit wissender Miene. »Fragt sich nur, wovon.«
Er trieb seinen Hengst vorwärts, sodass Matthias zur Seite treten musste, um nicht umgestoßen zu werden, und umritt die Eiche. Matthias biss sich auf die Unterlippe.
»Annelies, bitte halt dich versteckt!«, betete er und folgte seinem Herrn. Der bog die tief hängenden Äste des Baumes beiseite. Matthias hielt den Atem an. Gleich würde Wirtho das Mädchen entdecken. Das bedeutete Ärger für ihn und Annelies. Doch der Platz, an dem er die Zofe eben noch in den Armen gehalten hatte, war leer. Nur ein blaues Band baumelte verloren an einem Ästchen. Wirtho wirkte enttäuscht. Er räusperte sich.
»Nun denn. Du scheinst ja mit dem Wasserabschlagen fertig zu sein, also komm jetzt! Man braucht dich im Stall. Die Dreijährigen müssen beschlagen werden.«
Dann wandte er sich zum Wald um und fuhr so laut fort, dass man es bis zur Burg hören konnte. »Und, Matthias, das Bespringen der Stuten überlässt du in Zukunft meinem Maestoso!« Er klopfte dem Hengst mit dem italienischen Namen den Hals. »Der hat nicht nur edleres Blut, der kann es auch besser.« Dann gab er dem Tier die Sporen und galoppierte davon.
Matthias sah sich vorsichtig zum Wald um. Er glaubte eine Bewegung zwischen den Büschen auszumachen. Erleichtert machte er sich auf den Rückweg.
Annelies ist ein kluges Mädchen, dachte er.
*
Kunigund von Brennberg beobachtete ihren Ältesten beim Nachtmahl mit Sorge. Die Veränderungen an Wirtho, wenn sein Blick den der Berta von Eckmühl einfing, waren unverkennbar. Ihr Sohn war auf Brautwerbung. Frau Kunigund wünschte dem Buben nur das Beste, und an sich war es begrüßenswert, wenn sich sein Interesse endlich auf passsende Damen verlagerte. Nur schoss er diesmal weit über das Ziel hinaus. Dieses Mädchen zu erlangen würde schwierig werden. Berta war ohne Zweifel für »Höheres« geboren. Leider ermutigte das junge Ding ihren Sohn. Ihre Blicke waren mehr als bloße Tändelei. Obwohl sie gerade mal neunzehn Lenze zählte, wusste Berta, wie man einen Jüngling in Versuchung führt. Frauen wie sie konnten Männer um den Verstand bringen, aber nur selten glücklich machen. Kunigund hätte sich eher eine Schwiegertochter gewünscht, die ihren Sohn ein wenig an die Kandare nahm. Schon der Gedanke an Enkelkinder, die sich an ihren Schoß schmiegten, ließ ein wohliges Gefühl in ihr aufkommen. Ausgerechnet Berta. Wie konnte man es schaffen, Wirtho diese Braut ins Bett zu legen? Die Eckmühls wussten den Wert dieses Edelsteins wohl zu schätzen, sonst hätten sie das Kind schwerlich zur Erziehung an einen Minnehof geschickt. Es gab Gerüchte, dass der alte Eckmühl sie an den Hof des Herzogs verheiraten wollte. Aber Kunigund kannte die Männer von Brennberg. Wenn die sich etwas in den Kopf gesetzt hatten, waren sie nur schwer davon abzubringen. Und außerdem: War da nicht auch in Bertas Augen dieses leidenschaftliche Glimmen, wenn sie Wirtho betrachtete?
Kunigund lächelte still in sich hinein, pickte ein besonders zartes Stück Fleisch vom Teller, tunkte es in die Sauce und bot es ihrem Gemahl an. Mit der anderen Hand streichelte sie den Schenkel ihres Gatten, der sich ihr mit einem verblüfften Blick zuwandte. Eine so eindeutige Aufforderung, sich in die Gemächer zurückzuziehen, hatte seine Gattin schon lange nicht mehr ausgesprochen. Die Eheleute tauschten einen eindeutigen Blick, woraufhin sich zunächst Kunigund, kurze Zeit danach der Burgherr von der Tischgesellschaft verabschiedete.
*
»Ich denke, unser Sohn wird erwachsen«, stellte Kunigund fest, nachdem sich ihr Gatte stöhnend von ihr getrennt hatte. Das Rheuma hatte ihn trotz der sommerlichen Wärme noch nicht aus seinem Würgegriff entlassen. Kunigund deckte Herrn Reimars verschwitzten Körper behutsam zu. Sie hatte die Decke selbst im vergangenen Sommer aus der Wolle ihrer besten Schafe gewebt. Der alte Truchsess ließ die fürsorgliche Geste seiner Gattin duldsam zu. »In der Tat wird er das, und ich bin froh darum«, meinte er. »Es wird Zeit, ihm
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