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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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Wache – falls unser Gast schon früher auftaucht.«
    »Ich löse dich in einer Stunde ab.«
    »Gut«, meinte ich grinsend. »I ss in der Zwischenzeit. Wenn ich zurückkomme und du hast deine Schüssel nicht leer gegessen, nehm ich das persönlich.«
    Nephtys lächelte zur Antwort. Da war es wieder, das Weiche in ihrer Miene.
    »Lauf nicht weg, hörst du? Ich würde dir folgen.«
    Ich schmunzelte. »Keine Sorge, ich lasse meinen Bogen in der Hütte.«
    Ich schlug das Wisentfell zurück und setzte mich auf einen Stein neben dem Eingang. Mit konzentriertem Blick starrte ich zu der dunklen Felswand empor, wo sich der Höhleneingang befinden musste. Um ehrlich zu sein, konnte ich nicht das Geringste erkennen. Wenn jemand hier durchkam, würde ich es nicht sehen … es sei denn, derjenige trug eine Fackel.
    Die kalte Winternacht erinnerte mich an die vielen Nächte, die ich vor Alfangers Hütte verbracht hatte, um Gorman Gesellschaft zu leisten.
    Ich schloss die Augen und versuchte, in die Geisterwelt hineinzuhorchen, so wie Kauket es immer tat. Es kam mir so vor, als wäre der Percht in der Nähe, aber vielleicht war das auch nur Einbildung. Sonst schien alles ruhig – aber ich war darin ja auch nicht sonderlich gut.
    Ich wartete etwa eine Stunde. Als Nephtys nicht herauskam, um mich abzulösen, stand ich auf und ging hinein.
    Ich zog den Fellmantel über und setzte mir die Knochenmaske auf, dann hängte ich mir meinen Eibenbogen und den Köcher über die Schulter.
    Nephtys lag auf dem Boden und wand sich hin und her. Ihr Atem ging schnell und ihr herumirrender Blick suchte meinen. Ich war nicht sicher, ob sie mich überhaupt erkannte. Ich hatte auf ihr gutes Herz und den Widerwillen, mich zu verletzen, gebaut – die Tonschüssel neben ihr war leer. Ich packte sie unter den Achseln und zog sie zu ihrem Felllager hinüber. Dann beugte ich mich zu ihr hinunter und klappte die Knochenmaske hoch.
    »Es tut mir leid«, flüsterte ich und ergriff ihre Hände. »Aber ich hatte keine andere Wahl. Ich habe Kaukets Kahlköpfe in die Suppe gestreut. Du wirst für ein paar Stunden außer Gefecht sein und seltsame Dinge sehen, aber dann wird es dir wieder gut gehen.«
    Nephtys runzelte keuchend die Stirn und versuchte, mich festzuhalten.
    »Es tut mir leid«, wiederholte ich und küsste sie auf die Stirn. »Aber ich kann nicht zulassen, dass dir jemand wehtut.«
    Ich stand auf und deckte sie mit meinem Bärenfell zu. Ich nahm eine von Kaukets Fackeln und verließ die Hütte, die in den vergangenen Monaten zu meinem Zuhause geworden war.
     
    Es dauerte lang, bis ich mich durch das Eis gekämpft hatte und den Teil der Höhle erreichte, den die Grottenolme bewohnten. Wo immer das Licht der Fackel auf die Quelltümpel fiel, tauchten die blassen Olme rasch auf den Grund.
    Mir fiel plötzlich ein, was Kauket über die Höhle erzählt hatte: Sie wurde von einem Tatzelwurm bewacht, der ihr Passieren in der Geisterwelt nicht ratsam machte. In dem Moment, als ich den Gedanken dachte, war mir, als hörte ich das Geräusch dumpfer Schritte auf dem glitschigen Felsen und ein merkwürdiges Schaben.
    »Wer ist da?«, fragte ich nervös. Mich zu verstecken, hielt ich für wenig sinnvoll … mit einer brennenden Fackel in der Hand.
    Das Geräusch verklang.
    Genau, wie Kauket es gesagt hatte: Der Tatzelwurm ließ mich wissen, dass er mich beobachtete.
    »Keine Sorge«, sagte ich zu mir selbst. »Er kann dir hier nichts anhaben.«
    Langsam setzte ich meinen Weg fort. Nervös folgte ich dem Licht der Fackel mit meinem Blick. Der Tatzelwurm war hier drin nicht meine größte Sorge. Was, wenn der Eindringling bereits den Eingang zur Höhle gefunden hatte? Ich war mir sicher, Gormans Eulenaugen konnten leicht ohne das Licht einer Fackel auskommen.
    Nein … Wer immer das Feuer entzündet hatte, wollte, dass ich herauskam. Ich versuchte, diesen Gedanken festzuhalten, während ich durch die Dunkelheit schlich. Er wiegte mich in Sicherheit, zumindest solange ich mich noch in der Höhle befand.
    Nach einer Weile stieß ich auf eine Felswand und vernahm das dumpfe Rauschen des Wasserfalls. Es kam mir beinahe wie gestern vor, als Kauket mich durch die verborgene Felsspalte in die Höhle geführt hatte. Das Tor zur Außenwelt, das Tor zur Welt der Ata, das Tor zu Gorman.
    Dort draußen erwartete mich jemand … wahrscheinlich kein Freund. Ich musste bereit sein. Vage erinnerte ich mich, wie der Wasserfall sich golden gefärbt hatte, als Kauket mit der

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