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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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brennenden Fackel aus der Höhle getreten war. Einen derartigen Auftritt konnte ich mir jetzt nicht leisten. Ich löschte die Fackel in einer Pfütze und legte sie auf den Boden. Nun war es stockfinster.
    Sobald ich hinaustrat, würde ich mich auf einem Kraftplatz befinden, und würde so schnell wie möglich den Percht rufen. Wenn es Gorman war, würde ihn das zumindest kurz ablenken und dann …
    »Was dann?«, fragte eine leise Stimme in meinem Kopf. »Dann erschießt du ihn wie ein Tier? Mit dem Bogen, den er für dich gemacht hat?«
    Ich verbannte die Stimme aus meinem Kopf und wälzte den Felsen zur Seite. Das Donnern des Wasserfalls wurde sofort lauter. Ich bückte mich und spähte durch den schmalen Spalt im Felsen. Stürzendes Wasser verzerrte die Sicht auf das Becken, aber ich konnte das orange Leuchten eines Lagerfeuers erkennen. Das hieß, wer immer das Signalfeuer entzündet hatte, musste bis vor Kurzem noch hier gewesen sein … oder war es noch. Ich klappte die Löwenmaske herunter und zwängte mich durch den Felsspalt auf das Sims hinter dem Wasserfall. Hoffentlich behielt Nephtys recht und diese Verkleidung würde einen möglichen Angreifer zumindest für einen Moment verwirren. Ich schloss die Augen und umklammerte meinen Stab.
    »Percht«, flüsterte ich. »Komm zu mir, aber versteck dich noch im Erlendickicht. Gib acht, dass dich niemand sieht.« Ich war sicher, er würde meine Worte hören, auch wenn mich das Tosen des Wasserfalls übertönte.
    Ich lauschte auf die Gegenwart anderer Geister, aber entweder war alles ruhig oder meine Sinne waren einmal mehr nicht scharf genug, um etwas wahrzunehmen.
    Ich atmete tief durch und spürte, wie die Angst zurückkehrte, die ich mir in der Höhle so erfolgreich vom Leib gehalten hatte.
    Langsam schob ich mich hinter dem Wasserfall hindurch, bis ich an der freien Luft stand.
    Sofort duckte ich mich und blickte auf das nächtliche Wasserbecken hinab. Ich konnte nicht viel erkennen – die dünne Sichel des Mondes spendete kaum Licht. Schemenhaft zeichnete sich der Eingang zur Weytaklamm ab, wo der Fluss tosend hindurchschoss. Mein Blick saugte sich sofort an dem brennenden Lagerfeuer am Rand des Beckens fest. Die Zunderschwämme mussten bereits verbrannt sein, denn es stieg kaum noch Rauch in den Nachthimmel.
    Der Lichtkreis um das Lagerfeuer war leer. Selbst die Schneedecke rundherum war unberührt, als hätte sich das Feuer von Geisterhand entzündet. Ich kniff die Augen zusammen und wartete eine Weile. Nichts regte sich. »Halt die Augen offen«, murmelte ich an den Percht gerichtet. Vorsichtig drehte ich mich um und kletterte über den glitschigen Felsen nach unten.
    Es gefiel mir ganz und gar nicht, dem Lagerfeuer den Rücken zuzudrehen, aber ich musste mich mit allen Sinnen auf den Abstieg konzentrieren. An manchen Stellen war die Nässe auf den Felsen bereits gefroren und sie waren damit noch rutschiger als ohnehin.
    Das letzte Stück legte ich mit einem wenig eleganten Sprung in den Schnee zurück. Wie viel einfacher wäre mein Leben, wenn ich nicht überallhin einen Bogen, Pfeile und einen Stab mitschleppen müsste.
    Sofort richtete ich mich auf und blickte mich ängstlich um. Noch immer nichts. Was für ein Spiel wurde hier gespielt?
    Anscheinend hatte auch der Percht noch nichts bemerkt, denn er hielt sich noch immer im Erlendickicht versteckt.
    Langsam stapfte ich auf das Feuer zu, jeden Augenblick darauf gefasst, von irgendetwas angesprungen zu werden. Ich war beinahe überrascht, als ich die Feuerstelle unbehelligt erreichte. Tatsächlich erkannte ich die verkohlten Gerippe von Zunderschwämmen in der Glut. Der schwarze Rauch konnte also kein Zufall gewesen sein.
    »Ainwa?«
    Ich fuhr mit einem Schrei herum und hob schützend meinen Stab, gleichzeitig hörte ich das überraschte Aufbrüllen des Perchts hinter mir und ein lautes Bersten, als er durch das Dickicht brach.
    »Ruf deinen Geist zurück! Ich bin nicht hier, um gegen dich zu kämpfen.«
    Diese Stimme … War das möglich? Ich kniff ungläubig die Augen zusammen, ohne meinen Stab zu senken.
    Ein Paar hellgraue Augen starrten mir unbeeindruckt entgegen.
    »Rainelf?«, flüsterte ich.
    Ich nahm wieder das Brüllen des Perchts wahr, der auf ihn zustürmte, und hob abwesend die Hand. Der Percht verharrte augenblicklich. Mit einem tiefen Grollen trat er hinter mich und funkelte Rainelf feindselig an.
    »Was tust du hier?«, fragte ich verblüfft und klappte meine Maske hoch.
    Rainelf

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