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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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meinte er schließlich und lächelte mir zu.
    Ich konnte nicht anders, ich musste sein Lächeln erwidern. Er hatte mir das Leben gerettet, wieder einmal, und dabei mal eben die zweite Morddrohung kassiert. Wenn er mir nicht sagen wollte, wieso er seine Meinung geändert hatte, von mir aus.
    »Glaubst du, sie kommen zurück?«, fragte ich und blickte den Hang hinauf.
    »Schwer zu sagen. Dieses Mädchen … Auf die eine oder andere Weise wird sie versuchen, sich an uns zu rächen.«
    Ich schürzte die Lippen, stapfte zu meinem Bogen und zog ihn aus dem Schnee.
    »Was hast du jetzt vor?«, fragte Rainelf. »Gehst du zurück zu deinen Leuten?«
    »Nein«, erwiderte ich und hängte mir den Bogen über die Schulter. »Ich muss zurück ins Wanifenhaus. Ich muss Kauket erzählen, was passiert ist, damit wir die Ata in Zukunft schützen können.«
    »Ainwa, ich glaube nicht, dass du etwas tun kannst, was die Tráuna für immer daran hindert zurückzukommen.«
    »Eigentlich«, sagte ich mit einem flüchtigen Lächeln, »weiß ich genau, was dazu nötig wäre.«
    »Tatsächlich?«
    Ich stieg wieder zu ihm hinunter.
    »Allein der Gedanke an Ata hat sie diesmal in die Flucht geschlagen. Stell dir vor, sie wären dem echten Ata begegnet. Sie würden es niemals wagen, wieder einen Fuß auf unser Land zu setzen. Rainelf, ich muss Ata zurückgewinnen.«
    Er starrte mich mit großen Augen an – als hätte ich ihm gerade erklärt, ich wollte mit bloßen Händen auf Bärenjagd gehen.
    »Ata wird dich töten, wenn du in seine Nähe kommst … und die, die bei dir sind.«
    »Dieses Risiko muss ich eingehen«, erklärte ich. »Und ich werde sichergehen, dass dann niemand in meiner Nähe ist.«
    Rainelf lachte und schüttelte den Kopf.
    »Bist du Ata jemals begegnet? Nein? Ich nämlich schon! Glaub mir, man geht nicht einfach zu ihm und spricht mit ihm. Er verachtet die Menschen. Kein Wanife würde es wagen.«
    »Du hast Ata gesehen? Wie sieht er aus?«
    Rainelf wich meinem Blick aus. »Ich war weit entfernt … zum Glück.«
    »Rainelf, bitte versteh mich«, murmelte ich. »Zum ersten Mal weiß ich ganz tief in mir, was richtig ist, was ich tun muss. Ich weiß, dass ich seine Hilfe brauchen werde, dass wir alle seine Hilfe brauchen werden. Bitte, wenn du irgendetwas über Ata weißt, das mir helfen könnte …«
    »Ainwa, nicht einmal, wenn ich wollte, könnte ich dir dabei helfen«, sagte Rainelf. »Um ihn zurückzugewinnen, müsste man zuerst verstehen, warum Ata dich überhaupt verlassen hat. Aber du sagst, du weißt nicht, was das Band zwischen euch zerrissen haben könnte.«
    Ich seufzte und atmete tief durch. Schluss mit dem Verdrängen. Ich hatte mir lange genug eingeredet, dass es nicht meine Schuld war, dass mein Seelengeist mich verlassen hatte. Es war jetzt an der Zeit, der Wahrheit ins Auge zu blicken.
    »Was das anbelangt, habe ich nicht ganz die Wahrheit gesagt …«
     
    Einen Tag vor dem Blutmond …
     
    Ainwa saß auf ihrem Felllager in Alfangers Hütte und zupfte nervös die Haare aus dem Gamsfell. Es war ein heißer Sommertag, aber im Schatten der Hütte hatte sich ein angenehmer Rest an Kühle bewahrt. Ainwa starrte durch die Ritzen im Boden in das grüne Wasser des Sees. Ein paar gestreifte Flussbarsche, die der frisch geschlüpften Fischbrut nachjagten, die unter der Hütte Schutz gesucht hatte, flitzten vorüber.
    Das Warten wurde langsam zur Qual. Heute war der Tag, an dem der Rat der Alten Gorman zu sich berufen hatte. Heute würden sie ihm die Prüfung stellen, die er bewältigen musste, um Häuptling der Ata zu werden. ,Eine reine Formsache‘ hatte Gorman die Prüfung genannt. Und dann?
    Gorman würde der Häuptling der Ata werden. Er würde die Ächtung aufheben, die auf ihr lastete. Sie würde wieder ganz offen als Heilerin arbeiten dürfen, nicht nur die Tränke für Alfanger zusammenbrauen …
    Aber das Wichtigste war, sie würde wieder offen Zeit mit Gorman verbringen dürfen, ohne ständig in der Angst zu leben, man würde sie davonjagen und Gorman die Häuptlingsehre entziehen, wenn es ans Licht kam.
    Die hohen Temperaturen schienen sogar die Zeit zu verlangsamen. Ainwa beschloss, sich abzulenken, indem sie getrocknete Holunderblüten von den Stängeln trennte und in einem kleinen Tongefäß sammelte. Sie verwendete die Blüten gern gemeinsam mit Lindenblüte, wenn jemand im Winter an Fieber und Schüttelfrost litt. Es war, als bewahrten die Blüten die Wärme des Sommers. Wer ihren Trank zu

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