Die Wanifen
kämpfen, genau wie seine Schwester, nur würde das Zwiefeld durch seinen Tod nicht beeinflusst werden, da er den Zauber nicht gewirkt hatte.
Rainelf musste sie beide besiegen, wenn er überleben wollte. Sein Hermelinenwór wirkte so zerbrechlich im Vergleich zur Ehrfurcht gebietenden Gestalt des Bartengryfs …
»Ainwa«, sagte er, ohne mich anzusehen. »Geh jetzt!«
Ich ballte die Fäuste. Es machte mich rasend, dass ich machtlos zusehen musste, wie diese geisteskranken Wanifen ihn …
»Ich meine es ernst«, sagte Rainelf leise. »Ich will nicht, dass du das mit ansiehst!«
Ich warf ihm einen letzten Blick zu und zwang mich mit aller Macht, mich umzudrehen.
Langsam, Schritt für Schritt, entfernte ich mich.
Hinter mir hörte ich ein überraschtes Keuchen, das schrille Brüllen des Bartengryfs, ein bellender Laut, der wohl vom Raurackl stammen musste, dann ein hässliches Knirschen. Rainelf schrie vor Schmerz.
Ich erstarrte. Es war mir unmöglich, auch nur einen kleinen Schritt weiterzugehen. Meine Beine fühlten sich an wie aus Stein.
»Ich hab gesagt, du sollst verschwinden, Ainwa«, hörte ich Rainelfs schmerzverzerrte Stimme hinter mir schreien. »Hau endlich ab!«
Der Kampfeslärm wallte wieder mit voller Wucht auf. Ich schloss die Augen und ging weiter. Mir stiegen Tränen in die Augen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte ich den Schatten des Wäldchens und ließ die Wiese hinter mir.
»Viel Glück, Rainelf«, flüsterte ich, stieg die Böschung empor, die mich zum nächsten Kraftplatz des Dreibachs führen würde – dem Moor.
Kapitel 18
Moor
D as in der Winterkälte erstarrte Moor hatte wenig mit dem Ort gemeinsam, den ich vor langer Zeit mit Gorman durchquert hatte. Feiner Nebel floss aus dem gegenüberliegenden Wald auf das Plateau. Die kahlen Birken waren mit Raureif überzogen, was ihnen das Aussehen von Skeletthänden verlieh. Starre Büschel aus Moorgras knirschten unter meinen Schritten. Die zahllosen Tümpel und Wasserläufe waren gefroren – angenehm, da ich nicht jedes Mal bis zu den Knöcheln im schlammigen Boden einsank.
Es fiel mir schwer, konzentriert zu bleiben, und nicht ständig an Rainelf zu denken. Der Lärm des Duells drang nicht bis hier herauf, als würde der Nebel mich vor ihm abschirmen.
Ich lauschte in die Geisterwelt hinein, als ich den Wechselstein erreichte, aber ich hörte nur die gleiche Stille, die auch in dieser Welt herrschte. Alles war ruhig … Alles wartete. Wo war Kauket? Wo war Gorman? Noch immer keine Spuren im Schnee …
Wenn Gorman tatsächlich hier war, musste er doch wissen, dass ich kam. Schluss mit dem Versteckspiel!
»Kauket?«, rief ich und blickte mich um. »Kauket?«
Nichts, nur wogender Nebel. Aber Kauket musste hier irgendwo sein. Entweder hier oder weiter oben am Seeufer. Eine andere Möglichkeit gab es nicht – es sei denn, er war bereits … Nein! Das durfte ich nicht einmal denken.
»Kauket«, schrie ich.
Da! Eine leichte Bewegung vor mir im Nebel. Jemand kam. Mein Herz machte einen freudigen Sprung. Kauket. Die Gestalt schälte sich endgültig aus dem Nebel. »Kau…« Ich hielt inne und zog verwirrt die Brauen zusammen. Es war nicht Kauket, der gerade aus dem Nebel getreten war. Es war auch nicht Gorman …
Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, wer der Mann war, der mir am anderen Ende des Kraftplatzes gegenüberstand, auch wenn er mir irgendwie bekannt vorkam.
Er war nicht wirklich groß, aber sehr, sehr dünn und viel zu leicht gekleidet für die Jahreszeit. Sein Oberkörper wurde nur von einer ärmellosen Felljacke geschützt. Bei Ata, seine Oberarme mussten dünner sein als mein Eibenstab. Gräuliche Haut spannte sich über seinen skelettartigen Körper und ein Gesicht, aus dem mich weit hervorstehende, grüne Augen musterten. Sein strähniges Haar erweckte den Eindruck, er würde mich aus einer Höhle heraus anstarren.
»Ich grüße dich«, sagte eine wohlklingende Stimme.
»Wer bist du?«
Ein Stab! Der Fremde trug einen Stab in seinen langen Fingern. Grünes Birkenlaub wuchs aus seiner Spitze.
Der große Mund des Fremden weitete sich zu einem Lächeln, als er meinen Blick bemerkte. Ich umklammerte meinen Eibenstab fester. Das konnte einfach kein Zufall sein.
»Mein Name ist Jewas«, erklärte der Mann freundlich. »Und du musst die Wanife der Ata sein.«
Ich stockte für einen Moment. Lüg, Ainwa. Er darf nicht wissen, wer du bist!
»Du musst mich verwechseln. Mein Name ist Andra. Ich bin
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