Die Wanifen
mir auch holen.«
Jewas machte einen Schritt auf mich zu. Seine Miene glühte förmlich.
»Kannst du dir das vorstellen, meine Liebe? Ich werde stark und dunkel sein wie der Erlkönig und der große Ata wird mir dienen.«
Ich ließ meinen Stab fallen und spannte blitzschnell den Eibenbogen.
»Dieses Gespräch ist beendet!« Ich zielte auf Jewas’ Herz. »Verschwinde! Oder ich töte dich!«
Jewas starrte meinen Bogen mit weit aufgerissenen Augen an, dann brach er unvermittelt in hohes Gelächter aus.
»Du hast also den guten Salm erschossen, wie drollig.«
Für einen Augenblick begriff ich nicht, wovon er sprach, doch dann dämmerte es mir – der Streuner. Rainelf hatte mich damals schon gewarnt. Er hatte gesagt, jemand hatte den Streuner geschickt.
Natürlich! Er musste das Blutmal auf seiner Stirn gesehen haben, das mir nicht weiter aufgefallen war. Der Streuner war auch nicht mehr gewesen als Gmund und Gerla – eine von Jewas’ Puppen.
Der Pfeil schoss mit einem hellen Sirren von der Sehne, direkt auf Jewas zu … und hindurch. Gerade, als ich fassungslos die Luft einsog, blies mir jemand ins Ohr.
Ich fuhr mit einem Aufschrei herum und blickte in Jewas’ grinsende Fratze, die jedoch sofort wieder verschwand. Als ich mich wieder umdrehte, stand er wieder auf der anderen Seite des Kraftplatzes.
Jewas kicherte. »Du beleidigst mich, Ainwa. Ich bin vielleicht nicht so schnell wie dein hübscher Rainelf, aber nicht sehr weit davon entfernt.«
Ich griff hinter mich und wollte einen weiteren Pfeil aus dem Köcher ziehen.
»Ah. Ah. Ah«, rief der Wanife und hob seinen Spinnenfinger. »Wenn du das noch mal versuchst, werde ich dir sehr wehtun müssen und ich hatte eigentlich auf ein ehrliches Duell gehofft.«
Ich ließ den Arm langsam sinken und hängte mir den Bogen wieder über die Schulter.
Natürlich wollte er das. Nur wenn er mich im Duell tötete, würde er Ata bekommen.
»Es liegt doch auch in deinem Interesse«, sagte Jewas freundlich. »Nur, wenn du das Duell gewinnst, wirst du zum obersten Kraftplatz durchdringen und kannst deinem alten Meister das Leben retten.«
Ich starrte ihm unschlüssig entgegen. Was würde Kauket tun? Ich erinnerte mich noch sehr genau daran, wie er mir erklärt hatte, ich dürfte mich niemals duellieren, damit die Macht Atas nicht in falsche Hände geriet.
Aber wenn ich nichts tat, würde Jewas mich genauso töten. Rainelf lebte vielleicht nicht mehr, das hieß, niemand würde Kauket zu Hilfe kommen. Und Gorman …, Jewas würde versuchen, ihn zu töten, um die Kraft des Kelpis zu stehlen.
Ich bückte mich und hob meinen Stab auf. Jewas’ Grinsen verbreiterte sich, als ich mich neben den Wechselstein stellte. Ich warf meinen Fellmantel in den Schnee und bettete meinen Bogen und die Pfeile darauf. Man musste sich möglichst frei bewegen können, hatte Kauket mir beigebracht. Kälte kroch mir durch das dünne Hemd.
Ein einziges Übungsduell, das war alles, was ich Jewas entgegenzusetzen hatte, aber mir blieb keine andere Wahl. Ich würde mich ihm stellen, so wie Kauket es getan hätte. Ich würde genauso mutig sein wie er.
»Du hast mein Volk angegriffen, Jewas. Ich bin die Wanife der Ata und jetzt kämpfst du gegen mich.«
Ich atmete tief durch und schlug dreimal auf den Wechselstein neben mir.
»Gut so«, flüsterte Jewas mit funkelnden Augen. Er hob seinen Birkenstab und brachte uns mit drei kräftigen Schlägen auf das Zwiefeld.
Das war’s. Jetzt konnte mir niemand mehr helfen. Es hieß entweder Jewas oder ich. Ich wusste nicht, ob ich vor Kälte oder vor Angst zitterte, wahrscheinlich vor beidem. Ich durfte nur Jewas meine Angst nicht merken lassen.
»Wähle deinen Geist, Wanife der Ata«, meinte Jewas mit einer einladenden Handbewegung.
Wählen? Ha! Ich hätte am liebsten laut aufgelacht. Ich hatte keine große Wahlmöglichkeit, aber das würde Jewas wahrscheinlich früh genug herausfinden.
»Ich rufe den Percht«, rief ich mit erhobenem Stab.
Für einen winzigen Augenblick wurde es dunkler, die Realität verschwamm, dann kauerte der Percht in geduckter Haltung vor mir im Schnee.
Ich seufzte unhörbar auf. Zumindest das hatte funktioniert und ich musste nicht ganz allein sterben. »Percht«, murmelte ich. »Dieser Mann, Jewas … Ich denke, du weißt, wer er ist, und was er deinem Herrn, Salm, angetan hat.« Der Percht gab mir ein tiefes Grollen zur Antwort. »Lass es uns ihm so schwer wie möglich machen, hörst du?«, flüsterte ich.
»Du
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