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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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schneller voran.«
    Ich nickte mit zusammengepressten Lippen.
    »Ich werde so schnell nachkommen, wie ich kann«, versprach ich. »Ich lass dich nicht im Stich, du kannst auf mich zählen.«
    Rainelf neigte den Kopf zur Seite.
    »Das weiß ich. Du hast mir Leben gegeben.« Er streckte seine Hand aus und berührte meine Wange mit den Fingerspitzen.
    Ich wollte seine Hand ergreifen, aber er verschwand so schnell, dass meine Finger nur kühle Winterluft erfassten. Langsam ließ ich meinen Arm sinken und wandte mich um. Auch sein Hermelinenwór war verschwunden. Der Percht und ich waren allein.
    »Das wird kein Spaziergang«, sagte ich. »Und ich weiß, du hast dir mich nie ausgesucht. Ich will dich nicht zwingen, mir zu helfen. Ich kann dich nur bitten.«
    »Trok«, grollte der Percht und schubste mich. Diesmal gelang es mir sogar, stehen zu bleiben. Ich wunderte mich, wie gut er gelernt hatte, seine Kraft zu dosieren. Mir blieb nicht viel Zeit, mich über die Geste des Perchts zu freuen. Mit einer blitzartigen Bewegung packte er mich und warf mich auf seinen Rücken. Ich schaffte es gerade noch, meine Arme um seinen Hals zu schlingen, als er sich mit einem mächtigen Sprung in die Luft katapultierte und begann, mit unglaublicher Geschwindigkeit die Felswand hinaufzuklettern.

Kapitel 17
    Der Dreibach – Wiese
     
     
     
    E s fühlte sich an wie in den Träumen, in denen ich durch den Wald gerauscht war, als wäre ich ein Schatten – nur viel holpriger. Der Percht wich Hindernissen kaum aus, sondern preschte schnurstracks durch das Unterholz wie ein angreifender Wisentbulle. Ich musste ständig den Kopf einziehen, um nicht von zurückpeitschenden Zweigen getroffen zu werden. Außerdem liebte der Percht das Springen. Er sprang über Schluchten, Felsen – ja, er sprang sogar in Baumkronen, nur um sich von ihnen noch weiter abstoßen zu können. Mir wurde von dem ständigen Auf und Ab nach einiger Zeit so übel, dass wir kurz anhalten mussten. Meine Arme schmerzten – sich die ganze Zeit am Hals des Perchts festzuhalten und gleichzeitig meinen Stab zu umklammern, verlangte, dass ich meine Finger auf ziemlich unangenehme Weise verrenkte. Es war ungemütlich, aber schnell, und das war das Einzige, worauf es ankam.
    Während wir uns dem Dreibach mit großer Geschwindigkeit näherten, konnte ich nicht umhin, mich über etwas zu wundern. Wieso war Gorman sich so sicher, ich würde seinem Ruf folgen und zum Dreibach kommen? Und wieso fiel seine Einladung genau mit dem Angriff auf die Ata zusammen? So viele seltsame Zufälle …
    Mittlerweile hatten wir das Ataufer hinter uns gelassen und der Percht rannte schnurstracks den Berghang hinauf. Der Erlenbruch war unter der dichten Schneedecke kaum zu erkennen, als wir ankamen. Der Percht hielt an und ich ließ mich mit wackligen Beinen in den Schnee fallen. Ich blickte mich vorsichtig um. Alles schien ruhig. Der Himmel über mir war noch klar, aber ich konnte bereits sehen, wie sich dichte Wolken von Westen her näherten.
    »Spürst du irgendwas?«, flüsterte ich an den Percht gewandt.
    Ein leises Grollen drang aus seiner Kehle. Seine gelben Augen fixierten den schmalen Felsspalt, der zu den drei Kraftplätzen führte. Ich sah mich nach Spuren im Schnee um, fand aber keine. Na ja, schließlich war ich ja auch in der Geisterwelt. Spuren, die jemand in der Menschenwelt hinterlassen hatte, würde ich hier vermutlich nicht sehen. Ob Kauket hier überhaupt vorbeigekommen war?
    Ich bog die Zweige zur Seite, die den Eingang zur Felsspalte verdeckten, und ging hindurch. Das Eis des kleinen Baches knirschte unter meinen Schritten.
    Seltsam … Es fühlte sich an, als würde die ganze Zeit, die seit dem Tag des Blutmonds verstrichen war, verblassen, so als wäre überhaupt keine Zeit vergangen, seit ich das letzte Mal mit Gorman hier gewesen war. Früher hatte ich mich meistens darauf gefreut, hierherzukommen, jetzt fiel es mir schwer, einen Fuß vor den anderen zu setzen, so sehr fürchtete ich mich.
    Die Wiese war unter der unversehrten Schneedecke kaum wiederzuerkennen. Nur die Wechselsteine an ihren Rändern ragten wie graue Buckel aus dem weißen Meer. Noch immer keine Spur von Rainelf oder Kauket … oder Gorman.
    Nicht zum ersten Mal wünschte ich mir, ich wäre ein so hervorragender Wandler wie Rainelf, dann würde ich jetzt hören, was gerade in der Menschenwelt vor sich ging.
    Es half wohl nichts. Hier war weit und breit keine Menschenseele. Wenn ich meine Freunde finden

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