Die Wanifen
möchtest also spielen«, rief Jewas mir herüber und musterte den Percht belustigt. »Ach, übrigens, Salm war mir damals lebendig wesentlich nützlicher. Dieses Ding hätte mich kein bisschen stärker gemacht, sonst hätte ich es mir gleich von ihm geholt.« Der Percht stieß ein wütendes Brüllen aus.
»Ruhig. Lass dich nicht reizen.«
»Ich bin dran«, rief Jewas mit einem lauernden Lächeln. »Sieh gut hin, Ainwa.«
Jewas erhob seinen nackten Arm in die Luft, sodass ich zum allerersten Mal seine Unterseite erkennen konnte.
»Ainwa, du Närrin …«, wisperte ich kopfschüttelnd.
Wieso hatte ich eigentlich nicht schon früher versucht, einen Blick auf Jewas’ Seelengeist zu erhaschen? Dann hätte ich mir das mit dem Duell vielleicht noch einmal überlegt. Meine Finger krallten sich ängstlich im Pelz des Perchts fest.
Jewas’ Arm war übersät von Geistzeichen. Sie zogen sich von seinem Handgelenk hinunter, über die Ellenbogengrube, bis hinauf zu seiner Achsel.
Mir stockte der Atem. Es mussten mehr als ein Dutzend sein. Jewas hatte mehr als zwölf Wanifen getötet und ihre Geister gestohlen … Dabei waren das nur die gewesen, von denen er geglaubt hatte, dass ihre Geister ihn stärker machen würden. Was konnte ich ihm schon entgegensetzen? Ich war so gut wie tot.
Ruhig jetzt, Ainwa, ganz ruhig. Denk daran, was Kauket dir beigebracht hat. Jewas kann auch nur einen Geist auf einmal aufs Zwiefeld rufen, und wenn du den schlägst, kann er nur noch einen weiteren rufen. Wenn der Percht beide besiegt, hast du gewonnen.
Jewas musterte seinen Arm mit selbstzufriedener Miene und fuhr mit seinem Zeigefinger über die verschiedenen Geistzeichen, bis er bei dem allerletzten unter seiner Schulter verharrte.
Er grinste.
»Ich denke, ich habe mich entschieden. Meine neueste Errungenschaft … Mach dich bereit, Ainwa. Der Geist, gegen den du kämpfst, ist der Tatzelwurm.«
»Nein«, flüsterte ich, aber es gab nichts, was ich tun konnte, um Jewas aufzuhalten.
Die Luft zwischen uns begann zu flimmern, verdunkelte sich, dann kroch die riesige Gestalt des Tatzelwurms ans Licht. Im Tageslicht wirkte die Verbindung zwischen seinem zotteligen Haupt, den Vorderpranken und dem schwarz glänzenden Schlangenleib noch furchterregender.
Ich keuchte auf, als mich seine milchigen Augen fixierten. Jetzt begriff ich, was er heute Morgen gemeint hatte. Er hatte mir vorausgesagt, er würde versuchen, mich zu töten, wenn wir uns das nächste Mal begegneten, aber ich hatte doch nicht angenommen, dass das schon so bald sein würde.
»Du hast den Wanifen der Abira getötet. Den Wanifen des Tatzelwurms.«
»Nur ein alter Mann, meine Liebe, nicht der Rede wert«, meinte Jewas abwinkend. »Sein Seelengeist war so viel interessanter als er.«
Der Tatzelwurm zuckte unmerklich zusammen. Eine heftige Welle Mitleid ergriff Besitz von mir. Er war gezwungen, dem Mörder seines Kindes zu dienen. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie furchtbar das sein musste …
Aber Mitleid hin oder her, der Tatzelwurm gehorchte jetzt Jewas und er würde mich, ohne mit der Wimper zu zucken, angreifen, wenn Jewas es befahl. Vielleicht hatte der Tatzelwurm mir deshalb prophezeit, dass er mir meine Gegenwehr nicht übel nehmen würde, damit ich jetzt keine Skrupel hatte, mich zu wehren.
»Buh«, rief Jewas. Der Tatzelwurm stieß nach vorn und brüllte.
Ich sprang mit einem Schrei zurück und knallte gegen die unsichtbare Begrenzung des Zwiefelds.
Jewas lachte laut auf. »So schreckhaft, meine Liebe? Aber, aber.«
Ich warf ihm einen finsteren Blick zu und hob meinen Stab. Zeit, zu kämpfen. Der Tatzelwurm war blind, für irgendetwas musste das doch gut sein.
»Also los«, murmelte ich dem Percht zu.
Ich senkte den Kopf und machte einen kleinen Schritt nach vorn. Der Percht preschte mit gesenktem Haupt auf den Tatzelwurm los, der ihn knurrend erwartete.
Kurz bevor der Percht ihn erreichte, erhob ich mich auf die Zehenspitzen und drehte mich leicht nach rechts. Wie oft hatte ich ihn gebeten, sich lautlos zu bewegen, oft genug, dass er es gelernt hatte. Der Percht bog plötzlich, ohne das geringste Geräusch zu verursachen, scharf nach rechts ab. Die zuschnappenden Kiefer des Tatzelwurms fuhren ins Leere. Ich ging in die Knie, der Percht katapultierte sich in die Luft und segelte direkt auf den Hals des Tatzelwurms zu. Großartig! Und jetzt … Der Tatzelwurm fuhr herum und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Seine schwarze Pranke zischte
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